Land Rover Defender:Happy birthday, Dreckschleuder!

Land Rover Defender: Im Gelände daheim: der Land Rover Defender.

Im Gelände daheim: der Land Rover Defender.

(Foto: Matthias Kohlmaier)

Der Land Rover Defender wird 70 Jahre alt. Wer ihn fährt, weiß, warum er nicht mehr gebaut wird - und trotzdem noch sehr gefragt ist.

Von Matthias Kohlmaier

Einfach nur raus und im Dreck wühlen - das hat er wahrscheinlich noch nicht oft gedurft. Dabei hat er so viel Spaß dabei! Und nein, es geht nicht um einen 100-Kilo-Eber, der die Enge des Massentierhaltungsstalls zum ersten Mal verlassen darf für ein ordentliches Schlammbad. Es geht um ein Auto, das so sehr aus der Zeit gefallen ist, wie ein Auto eben aus der Zeit gefallen sein kann.

Der Land Rover Defender, den Landy nennen muss, wer von seinen Fans nicht schräg angesehen werden möchte, wird 70 Jahre alt. Gebaut wird er seit 2016 nicht mehr, in Sachen Fußgängerschutz und Abgasnorm war die Konstruktion nicht mehr zu retten. Aber das ist nicht die Geschichte.

Die ist vielmehr, dass es der Landy überhaupt in dieses Jahrtausend geschafft hat - und nach wie vor gefragt ist. Wer durch die Münchner Villenviertel fährt, sieht in fast jeder Seitenstraße einen Defender stehen. Gebrauchte Exemplare in ordentlichem Zustand sind kaum unter 30 000 Euro zu haben. Und der Preis ist seit Jahren stabil. Fachleute vermuten sogar, dass ein gepflegter Landy mittelfristig als Geldanlage taugen wird. Quasi als sehr großer, sehr kantiger und sehr britischer Porsche 911.

Eine kurze Geschichtsstunde: Der erste Land Rover - die Bezeichnung Defender führt er erst sei 1990 - wurde 1948 vorgestellt. Europa war kaputt, man brauchte einen Wagen, der beim Aufräumen helfen konnte. Außerdem wollten die Briten ihren Bauern einen einheimischen Arbeitswagen schmackhaft machen, um den sich stark ausbreitenden US-Jeeps Einhalt zu gebieten. Einen "Rover für den Farmer, mit dem er überall hinkommt und alles machen kann", wie seinerzeit verkündet wurde. Das klappte nicht nur, der Landy wurde sogar ein Riesenerfolg, der aufgrund internationaler Nachfrage ganz nebenbei Devisen ins Land brachte.

Das Fahrgefühl? Grausig

Verändert hat sich der Defender seither kaum, von minimalen optischen Modernisierungen abgesehen. Und wie fährt er sich nun, der Kultwagen aus Großbritannien, in der Heritage-Sonderversion des Defender 90 Station Wagon aus dem Jahr 2015?

In einem Wort: grausig. Jede Lenkbewegung, jeder Schaltvorgang, sogar jedes Ein- und Aussteigen ist mühsam. Man sitzt wie in einem Lastwagen, nur weniger bequem. Wer ganz mutig ist, prügelt den Defender auf der Autobahn einmal zu seiner Höchstgeschwindigkeit von 145 Kilometern pro Stunde. Er sollte allerdings bremswegbedingt hoffen, dass sich nicht im Abstand von gefühlt zwei Kilometern ein Hindernis auftut. Ein Gespräch mit dem Beifahrer ist bei dem Radau sowieso nicht möglich.

Ab in den Wald

Aber der Defender gehört ja auch gar nicht auf die Straße. Und damit zurück zum Anfang der Geschichte - und ab in den Wald. In den Schlamm. Dorthin, wo kaum einer der Münchner Villenviertel-Landys jemals kommen wird. Wer sich mit seinem Defender über matschige Waldwege wühlt, der spürt den britischen Bauern der späten Vierzigerjahre in sich. Dem Dreck und unwegsames Gelände egal waren, egal sein mussten, der einfach nur seinen Job machen wollte. Und das tut der Landy, wenn man ihn über Stock und Stein prügelt.

Und wahrscheinlich ist es auch dieses Abenteuer-Image, diese Sowas-wird-ja-heute-gar-nicht-mehr-gebaut-Hemdsärmeligkeit, die viele am Landy begeistert. Dass der Wagen dabei im Test 13 Liter Diesel pro 100 Kilometer schluckt - geschenkt. Dass ständig irgendwas pfeift, quietscht, rumpelt - egal. Dass die Parkplatzsuche in der Stadt fast aussichtslos ist - was soll's. Ein Wagen für Individualisten und alle, die es gerne wären.

Nein, der Land Rover Defender gehört wirklich nicht in diese Zeit. Aber gerade deshalb hat er vermutlich überlebt. Und weil angeblich noch immer drei Viertel der seit 1948 ausgelieferten Landys durch Wälder, Steppen, Wüsten, Dschungel und, ja, auch über Straßen knattern, wird das auch noch eine Weile so bleiben.

Alles Gute zum Geburtstag.

Technische Daten Land Rover Defender 90 Station Wagon Heritage:

R4-Dieselmotor mit 2,2 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 90 kW (122 PS); max. Drehmoment: 360 Nm bei 2000/min; Leergewicht: 1955 kg; Kofferraum: 1600 l; 0 - 100 km/h: 15,8 s; Vmax: 145 km/h; Testverbrauch: 13,1 l / 100 km (lt. Werk: 10,2; CO₂-Ausstoß: 269 g/km); Euro 5; Grundpreis (2015): 39 900 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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