60 Jahre Radarfalle:Siegeszug des Blitzers

Abzocke oder wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit? Seit 60 Jahren gibt es Radarfallen in Deutschland. Städte und Gemeinden verdienen Millionen damit.

Von Thomas Harloff

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(Foto: dpa)

Für die einen sind Radarfallen ein wichtiger Beitrag zu Verkehrssicherheit. Andere halten sie für "Abzocke" oder werfen denen, die sie einsetzen, "Wegelagerei" vor. Richtig ist vermutlich beides: Ohne Geschwindigkeitskontrollen würde auf Deutschlands Straßen noch mehr gerast werden als ohnehin schon. Gleichzeitig sind die Einnahmen durch Blitzer ein wichtiger Posten in den Budgetplanungen der Kommunen. Erst recht, seitdem die Geräte weitgehend automatisiert arbeiten. Das bedeutet geringere Personalkosten, von den Einnahmen bleiben höhere Gewinne übrig.

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(Foto: dpa)

Heute sind etwa 1800 festinstallierte Blitzer über Deutschland verteilt. Am 21. Januar 1957 war es nur einer: In Düsseldorf startete damals ein Feldversuch, bei dem Deutschlands erste Radarfalle ihren Betrieb aufnahm. Das VRG-1 ("Verkehrs-Radar-Gerät") von Telefunken konnte Autofahrer der Geschwindigkeitsübertretung überführen, ohne dass Polizisten die Zeit stoppen mussten. Und das dank Blitzanlage sogar bei Dunkelheit. Der Prototyp ging ein Jahr später als VRG-2 in Serie und bundesweit in Einsatz. Manches Exemplar blieb bis in die Achtzigerjahre im Dienst. Das Foto zeigt Felix Hoffmann, den Leiter des deutschen Polizeimuseums in Salzkotten mit dem VRG-2.

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(Foto: Peter Steffen/dpa)

Aus den klobigen Kästen sind Hightech-Überwachungsanlagen in den unterschiedlichsten Ausführungen geworden. Beispiel Section Control: Hier wird die Geschwindigkeit auf dem kompletten Abschnitt einer Straße gemessen und der Durchschnitt errechnet. Liegt er über dem zulässigen Tempo, wird der Fahrer geblitzt. In Österreich und Großbritannien ist die Technologie schon erfolgreich im Einsatz. Seit Herbst 2015 sollte sie auch in Deutschland getestet werden, auf einem drei Kilometer langen Abschnitt der B 6 bei Hannover (Foto). Doch daraus wurde bislang nichts. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig will die Anlage einfach nicht zulassen.

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(Foto: Vitronic)

Da ist die Polizei in Brandenburg weiter. Sie setzt seit Sommer 2016 versuchsweise den "Enforcement Trailer" ein, den die lokalen Medien griffiger als "Super-Blitzer" bezeichnen. Was aus der Ferne wie ein Kombiheck aussieht, ist eigentlich ein Pkw-Anhänger, auf dem sich eine hochmoderne Anlage befindet. Per Laser-Technik misst sie die Geschwindigkeiten über mehrere Spuren hinweg und sendet über ihr eingebautes Modem die Daten automatisch und verschlüsselt in eine Zentrale. Personal ist nicht nötig, erst nach fünf Tagen ist der Akku leer. Die Anschaffungskosten von etwa 150 000 Euro dürfte der intelligente Blitzer schnell eingespielt haben. Das französische Innenministerium ist jedenfalls überzeugt und hat bereits 250 "Enforcement Trailer" geordert.

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(Foto: picture alliance / dpa)

Es muss nicht unbedingt Hightech her, um viel Geld mit einer Radarfalle zu verdienen. Die stationäre Blitzanlage auf der A2 am Bielefelder Berg löst im Schnitt mehr als 300 mal täglich und etwa 110 000 mal im Jahr aus. Zwischen sechs und sieben Millionen Euro nimmt Deutschlands bekanntester Blitzer, der gleichzeitig einer der lukrativsten ist, für die Stadt Bielefeld ein. Nach Abzug aller Kosten bleiben mindestens vier Millionen Euro Gewinn übrig. Erst kürzlich klagte ein Autofahrer gegen das dortige Tempolimit, weil die Stelle nicht so gefährlich sei, dass sie eine 100-km/h-Beschränkung rechtfertige. Doch er verlor - und Bielefeld darf sich weiter über stattliche Einnahmen freuen.

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(Foto: Catherina Hess)

Auch die Radaranlagen im Münchner Luise-Kiesselbach-Tunnel können nur einzelne Spuren im Blick behalten. Deshalb braucht es 13 Kameras, um den 2,8 Kilometer langen und im Sommer 2015 eröffneten Tunnel zu überwachen. An sechs Stellen hängen die Radarfallen - genug, um im Mai 2016 etwa 13 000 Fahrer zu erwischen, die mindestens 20 km/h schneller waren als erlaubt. Was viel klingt, ist gar kein so hoher Wert, schließlich fahren monatlich ungefähr drei Millionen Autos durch den Tunnel. Setzt man die Zahlen in Relation, werden gerade einmal etwa 0,4 Prozent der Fahrer mit mindestens 20 km/h zu viel erwischt.

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(Foto: dpa)

Im Münchner Richard-Strauss-Tunnel wurde ein Motorradfahrer in drei Monaten 26 mal geblitzt. Nachdem sie ein Muster in seinem Verhalten erkannte, legte sich die Polizei auf die Lauer und zog den Fahrer am Tunnelausgang aus dem Verkehr. In der Summe addierten sich seine Verstöße auf 47 Punkte in Flensburg, 4180 Euro Geldstrafe und mindestens zwei Monate Fahrverbot. Es steht sogar eine lebenslange Sperre zur Debatte - weil der Motorradfahrer mit Absicht zu schnell fuhr. Ähnlich dreist war 2012 ein 17-jähriger Mopedfahrer unterwegs, der ebenfalls 26 mal geblitzt wurde - und bei einer Aufnahme seinen ausgestreckten Mittelfinger in die Kamera hielt.

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(Foto: Robert Haas)

Willkommene Einnahmen lieferte lange eine Messstelle in einer Schilderbrücke über der A 9. Auf Höhe der Abfahrt Garching-Süd in Fahrtrichtung München gilt nachts ein Tempolimit von 100 km/h, das vielen Fahrern offensichtlich zu langsam erscheint. Immer wieder blitzt es aus der Schilderbrücke, oft wird das Tempolimit deutlich überschritten. Im Laufe eines Gerichtsverfahrens stellte sich vor gut einem Jahr jedoch heraus, dass Quermarkierungen in der Fahrbahn fehlten, ohne die die eigentlich korrekten Geschwindigkeitsmessungen vor Gericht nicht haltbar sind. Die Bußgeldbescheide eines kompletten Jahres waren fehlerhaft, viele tausend Verfahren mussten eingestellt werden. In diesem Fall hatten die Betroffenen Glück. Besonders listige Fahrer nutzen aber die effektivste Methode, um Radarfallen auszutricksen und nicht Opfer vermeintlich raffgieriger Kommunen zu werden: Sie halten sich ans Tempolimit. Mit Material der dpa.

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