Jaguar:Die neun Leben der Katze

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Immer mal wieder wurde die legendäre Marke Jaguar totgesagt. Zwischen Tradition und Moderne pendelnd hat sie jetzt wieder große Pläne.

Georg Kacher

Mit Geld kann man fast alles kaufen. Nur eine Historie, auf die sich bauen lässt, will erarbeitet werden. Doch eine lange Firmengeschichte ist noch kein Garant für eine große Tradition. Das wissen auch die Jaguar-Archivare, die nur widerwillig über frühe Mitläufer-Marken wie Swallow, Standard oder Austin Auskunft geben.

Jaguar
:Ein neues Leben

Immer mal wieder wurde die legendäre Marke Jaguar totgesagt. Jetzt hat sie wieder große Pläne.

Der Kultstatus, den Jaguar nach wie vor für sich beansprucht, geht allein auf die Visionen des Firmengründers William Lyons zurück. Der von 1922 bis 1972 im Zeichen der Raubkatze aktive Ingenieur und Designer schuf neben diversen Flops so legendäre Autos wie die SS-Reihe, die XK-Familie, den Mk II und den ersten XJ 6.

Der Niedergang von Jaguar begann erst mit der zwangsweisen Integration in die notorisch klamme British Leyland Motor Corporation, die sich durch Fehlplanungen und Qualitätsmängel im Zeitraffer praktisch selbst zerstörte. 1984 ging das Unternehmen dann unter der Regie von John Egan an die Börse, aber mit der Faszination der frühen Jahre, die viel mit innovativer Technik und emotionalem Styling zu tun hatte, war es vorbei.

Wider Erwarten fand die heruntergewirtschaftete Marke Ende 1989 einen Käufer. Ford wollte Jaguar, Aston-Martin, Land Rover, Volvo und Lincoln in der Premier Automotive Group (PAG) zusammenfassen, für deren Leitung man Wolfgang Reitzle von BMW abgeworben hatte. Das Experiment ging schief, denn die Amerikaner konnten alles - außer Premium. Der X-Type auf Ford-Mondeo-Basis torpedierte das Image von innen, der S-Type kam nie auf Stückzahlen, der neue XJ war trotz modernster Alukarosse ein rollendes Clubzimmer im Großvater-Look.

Trotzdem gelang die Trendwende noch unter Ägide von Ford. Nick Scheele verordnete jene längst überfällige Abkehr vom Retro-Design, die später von Mike O'Driscoll und Design-Direktor Ian Callum fortgeführt wurde. Doch Ford hatte genug von dem Fass ohne Boden namens PAG. 2007 wurde Aston- Martin ausgegliedert, ein Jahr später ging Jaguar-Land Rover für 2,3 Milliarden Dollar an die indische Tata-Gruppe, seit 2010 gehört Volvo einem chinesischen Autohersteller.

Dass Indien in Sachen Tee und Curry eine Weltmacht ist, hat die Engländer nie gestört. Dass aber auch Jaguar und Land Rover dorthin verkauft wurde, stieß so manchem Traditionalisten sauer auf. Da fiel es kaum ins Gewicht, dass neben Ratan Tata mit Carl-Peter Forster und Ralf Speth zwei Deutsche in Gaydon das Sagen haben. Der Patriarch aus Fernost will sein Investment möglichst rasch vergolden. Bis 2018 sollen die beiden englischen Marken ihren Absatz auf 750.000 Autos verdreifachen.

Zu diesem Zweck haben Forster - er leitet Tata Motors mit Sitz in Mumbai - und Speth - er kümmert sich um Jaguar und Land Rover - ein ehrgeiziges Produktprogramm auf Kiel gelegt. Es sieht vor, nicht nur die Synergien innerhalb der Marken, sondern auch die Querverbindungen zwischen den Pkw- und SUV-Divisionen auszubauen.

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Eine wichtige Klammer heißt intern PLA (Premium Lightweight Architecture). Dahinter verbirgt sich ein modularer Baukasten, der primär im Werk Castle Bromwich zum Einsatz kommen soll. Jaguar setzt schon heute im XJ und den XK-Sportwagen auf Aluminium, Land Rover wird die Nachfolger von Range Rover (2012) und Range Rover Sport (2013) ebenfalls auf eine flexiblere und dramatisch leichtere Spaceframe-Matrix umstellen.

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Der Trick dabei: Die beiden Marken teilen sich nicht nur die Module, sondern auch die Modelle. Carl-Peter Forster erklärt die Strategie: "Jaguar wird in Zukunft weder ohne Allradantrieb noch ohne Crossover-Modelle auskommen. Da ist es natürlich hilfreich, dass wir die entsprechende Kompetenz nicht von Dritten zukaufen müssen."

Konkret denkt Jaguar über zwei neue Crossover-Derivate nach. Das kleinere davon ist ein Ableger des viertürigen Range Rover Evoque. Die Jaguar-Variante wäre eine sportlich-elegante Alternative zur deutschen Konkurrenz, wobei man jedoch nicht direkt BMW X3 oder Mercedes GLK im Visier hat, sondern in die Lücke zwischen Audi Q5 und A4 Allroad zielen will. Ein ähnliches Rezept ist für den großen Crossover auf Basis Range Rover Sport angedacht. Hier gelten das A8 Avantissimo Showcar von Audi und die LFX-Studie von Lexus als Vorbild.

Die wichtigste neue Jaguar-Kreation trägt den Code X 760. Mit diesem Wagen wollen die Briten ab Ende 2013 Rivalen wie A4, Dreier und C-Klasse Paroli bieten. "Das klingt schlüssig, ist aber relativ schwierig umzusetzen", ahnt Markenchef Adrian Hallmark, "schließlich wartet die Welt nicht darauf, dass jetzt auch noch Jaguar das übliche Quartett aus Limousine, Kombi, Coupé und Cabrio auf den Markt bringt." Dies, so Hallmark, wäre die falsche Strategie - zumindest so lange es Alternativen wie ein viertüriges Coupé, ein sportliches Schrägheck oder einen Shooting Brake gebe.

Analog zu Audi, BMW und Mercedes arbeitet Jaguar an einem flexiblen Baukasten für Fahrzeuge mit Heck- und Allradantrieb. Diese Architektur eignet sich für unterschiedliche Abmessungen, Motorisierungen und Materialzusammensetzungen. Im Idealfall lässt sich PLA so gestalten, dass - falls nötig unter Zuhilfenahme eines Submoduls für X 760 und für den nächsten XF (kommt 2014) - mehr als zwei Drittel des Gesamtvolumens abgedeckt ist.

Außen vor blieben nur die weniger komplexen Neuauflagen von Freelander, Discovery und Defender. Obwohl ein PLA-Derivat fast 1500 Euro teurer ist als eine Stahlkonstruktion, wollen die Strategen weder auf den Gewichtsvorteil noch auf den Imagebonus verzichten.

Das gilt natürlich besonders für die Sportwagen. Jaguar hat hier seit dem legendären E-Type noch eine Bringschuld einzulösen, ist aber trotz verschiedener Concept Cars bislang nicht über Absichtserklärungen hinausgekommen - die bislang letzte stammt von Ratan Tata selbst. "Wir werden so ein Auto bringen", bestätigt Ralf Speth, "aber es muss sich rechnen. Deshalb funktionieren Nischenmodelle nur dann, wenn sie in das Gesamtkonzept integrierbar sind."

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Die entsprechenden Kennzahlen im Jaguar-Produktprogramm lauten X 151 und X 152. Beide Fahrzeuge gehören zur PLA, beide bedienen sich im vorhandenen Aggregate-Pool, beide erweitern das Produktportfolio - nach oben und nach unten. X 151 ersetzt 2013 das XK Coupé und 2014 das XK Cabriolet.

Dabei wandelt sich der XK vom Lifestyle-Sportwagen zum puristischen GT. Er mutiert zum echten 2+2-Sitzer mit deutlich mehr Platz im Fond, rückt leistungsmäßig noch eine Stufe nach oben, wird teurer und exklusiver. Es bleibt zwar beim Mix aus 3,0-Liter-V6 und 5,0-Liter-V8, doch für die Sportwagen stehen vor allem die Kompressoraggregate mit einem Kraftspektrum von 350 bis 550 PS im Vordergrund. Indem der XK in die Region jenseits der 115.000 Euro aufsteigt, macht er darunter Platz für ein kleineres Modell, den X 151. Genetisch sind sich die Beiden so ähnlich wie Boxster und 911.

Der Porsche-Bezug trifft auch auf die Marketingstrategie zu, denn Jaguar will den möglicherweise F-Type genannten Zweisitzer als Anti-911 positionieren - zu einem Preis, der die Stuttgarter Kalkulation deutlich unterbietet. Der F-Type soll Ende 2013 vorgestellt werden. Zunächst debütiert der kernige Roadster mit etwas kürzerem Radstand und knackigeren Proportionen als der XK.

2015 erwarten Insider das F-Type Coupé, wie gehabt mit praktischer Heckklappe und atemberaubendem Design. Weitere Varianten und Leistungsstufen sind nur eine Frage der Phantasie und der Investitionsbereitschaft. Ob der in Paris als Studie gezeigte Hybridsportwagen C-X75 mehr ist als eine Eintagsfliege, will das Management noch im Frühjahr entscheiden. Derzeit untersucht Jaguar zwei Optionen: eine Kleinserie mit Showcar-Technik und eine mit konventionellem V8.

Obwohl der neue XJ einen großen Bogen um das Limousinen-Establishment macht, kommt der Wagen besser an als von Skeptikern befürchtet. Auf diesen Erfolg will Jaguar aufbauen. Geplant sind eine Allradversion, ein Hybridmodell und ein viersitziges Coupé ohne B-Säulen und mit mutigerer Optik.

Obwohl die Marke viele Synergieeffekte in Eigenregie stemmen kann, bleibt in manchen Bereichen nur der Weg über Allianzen mit Dritten oder mit Systemlieferanten. So wird Jaguar den Reihensechszylinder, der so gut zum F-Type gepasst hätte, wohl durch einen V6 ersetzen.

In puncto alternative Antriebe wird man vermutlich zukaufen müssen statt selbst zu entwickeln. Und bei den Drei- und Vierzylindern, wo die deutschen Premiummarken den Effizienz-Maßstab setzen, sollte sich die englische Tata-Dependance schon mal mit der Herkunftsbezeichnung "Made in India" vertraut machen.

© SZ vom 07.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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