Elektromobilität:Sozialfall der Autoindustrie

BMW i3 an einer Ladestation

Der BMW i3 ist eines von knapp 20 Elektroautos, die derzeit auf dem deutschen Markt angeboten werden.

(Foto: obs)

Es braucht keine staatlichen Kaufanreize, um die Elektromobilität nach vorne zu bringen. Das E-Auto selbst muss der Anreiz sein - und eine endlich funktionierende Infrastruktur.

Von Thomas Fromm

Daimler-Chef Dieter Zetsche hätte sich Anfang des Jahres hinstellen und sagen können: 2015, das wird das Jahr des Elektroautos. Sie sind besser für das Klima, verpesten nicht die Städte, und - auch das - sie werden auch dann noch unterwegs sein, wenn der letzte Tropfen Öl längst gefördert ist. Leute, kauft mehr Elektroautos!

Das hat er aber nicht gesagt. Zetsche sagte stattdessen, dass dies das "Jahr des SUV" wird, also des sportlichen Geländewagens. Und natürlich war dies die realistischere Einschätzung. Benzin ist billig wie lange nicht, und jeder große Autokonzern hat Pläne für neue SUVs in der Schublade. Die hohen Geländewagen sind inzwischen die beliebtesten Autos, beliebter als Limousinen und Sportwagen. Mit SUVs wird das große Geld verdient, in Deutschland will fast jeder Fünfte einen solchen Wagen haben. 2015 ist ganz bestimmt nicht das Jahr des Elektroautos. Es ist das Jahr der Spritschlucker. In Deutschland, in den USA, in China, überall.

Die Industrie gibt den Kunden das, was sie wollen. Angebot trifft auf Nachfrage, so weit ist das alles sehr marktwirtschaftlich gedacht. Noch vor ein paar Jahren sah es so aus, als stünde der Welt die große Elektroauto-Offensive bevor. Das goldene Zeitalter des emissionsfreien Autofahrens. Heute sprechen Manager und Politiker über Elektroautos, als wären sie ein gesellschaftliches Problem, das man lösen müsse. Eine Art Sozialfall der Industrie.

SUVs sind Selbstläufer, E-Autos nicht

Dass ausgerechnet in diesem Jahr des SUV die Industrie auf Subventionen für ihre E-Autos dringt, mag sehr bizarr klingen, folgt aber einer stringenten Logik. Je mehr dieser urbanen Geländewagen auf die Straße kommen, desto mehr abgasfreie Elektroautos müssen im gleichen Zeitraum verkauft werden. Anders lässt sich für die Konzerne das von der EU vorgegebene CO₂-Ziel von 95 Gramm pro Kilometer bis 2020 nicht erreichen.

SUV und Elektroauto - dahinter stehen zwar sehr unterschiedliche Philosophien. Beide Autos aber sind Teil derselben Konzernräson. Keine SUVs ohne Elektroautos. Nur: SUVs und Luxuslimousinen sind Selbstläufer. Die weniger attraktiven Elektroautos braucht man, damit man seine SUVs auch in den nächsten Jahren noch verkaufen kann. Auch deshalb der nun auf der Elektromobilitätskonferenz der Bundesregierung wieder geäußerte Wunsch, die Ladenhüter mit Steuererleichterungen wie Sonderabschreibungen für Dienstwagen an den Mann zu bringen. So einfach aber funktioniert das nicht. Elektromobilität wird sich nicht deshalb durchsetzen, weil ein paar Konzerne batteriebetriebene Autos in ihre Fuhrparks holen, die sie dann leichter und schneller abschreiben können als bisher. Ein Modell, das noch dazu den Privatkunden völlig ausschließt.

Das Auto muss der Anreiz sein

Nicht das Steuermodell ist der Anreiz. Das Auto selbst muss der Anreiz sein. Elektroautos werden dann Erfolg haben, wenn den Fahrern eine flächendeckende Infrastruktur zum Aufladen ihrer Fahrzeuge zur Verfügung steht, und das möglichst unkompliziert. Davon ist Deutschland noch weit entfernt. Sie werden sich verkaufen, wenn die Reichweite der Batterien größer ist als heute. Wenn die Industrie ausreichend Produkte hat und Kunden zwischen vielen interessanten Modellen auswählen können. An die 20 Modelle haben die Konzerne derzeit im Angebot, und es werden mehr - das lässt hoffen.

Die Befürworter von staatlichen Verkaufs-Maßnahmen argumentieren, dass Elektroautos allein wegen ihres hohen Preises auf den Höfen der Händler stehen bleiben. So gesehen ließe sich der Absatz der Ladenhüter schon mit einigen gezielten finanziellen Anreizen ankurbeln. Wahr ist, dass Elektroautos heute einige tausend Euro mehr kosten als vergleichbare Benziner, nicht zuletzt wegen der teuren Groß-Batterien. Doch ist es wirklich der Preis, der die Käufer abschreckt?

Ist es wirklich eine Frage des Preises?

Noch nie haben die Premiumbauer aus Ingolstadt, Stuttgart und München so viele Oberklasse-Autos verkauft wie in den vergangenen Jahren. SUVs boomen, obwohl es für die Kunden genug billigere Alternativen gäbe. Und in Kalifornien macht der Elektroautobauer Tesla gerade vor, wie man teure sportliche Limousinen verkauft. Eine Frage des Preises?

Es ist eine besondere, wohl historische Situation, eine Phase des Umbruchs: Die Industrie muss Milliarden in eine neue Autogeneration investieren, ohne dass sie damit zurzeit schon Geld verdienen würde. Insofern hat der SUV-Boom auch sein Gutes. Er liefert der Industrie jenes Geld, das sie in ihre Zukunft investieren muss.

Sorgen machen muss man sich um die Autokonzerne im Moment zumindest keine. Gemeinsam fuhren die drei Premiumhersteller im vergangenen Jahr an die 25 Milliarden Euro Gewinn ein.

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