Deutsche Bahn:Mit Rückenwind und Sonnenschein

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Die Deutsche Bahn will von 2050 an emissionsfrei fahren. Damit das funktioniert, müssen aber noch einige Hindernisse überwunden werden. Vor allem Versorgungsengpässe zu Stoßzeiten sind eine Herausforderung.

Klaus C. Koch

19 800.Kilometer an Eisenbahngleisen sind in Deutschland elektrifiziert, die Bahn gehört mit fünf Prozent Anteil am Stromverbrauch, entsprechend etwa dem Anderthalbfachen der Leistung des Atomkraftwerks Brokdorf, zu den größten Abnehmern an elektrischer Energie. Bis 2050 soll dafür kein Kohlekraftwerk mehr nötig sein, kein Atomstrom mehr durch die Oberleitungen laufen.

Das 7800 Kilometer lange Hochspannungsnetz, mit dem die Bahn in Eigenregie ihre Oberleitungen versorgt, soll künftig stärker mit dem öffentlichen Netz gekoppelt werden, um Ausgleichsmöglichkeiten zu schaffen. (Foto: SEYBOLDTPRESS)

Dass ICE-Züge einmal mit Windkraft oder Solarenergie fahren könnten, war für Bahningenieure aber bis vor kurzem noch eine Illusion. Szenarien von Hochgeschwindigkeitszügen, die in Tunnels stecken bleiben, weil Flaute herrscht, die Sonne nicht scheint oder Pumpspeicherseen nicht genug Wasser für die Stromproduktion führen, hielten bislang von manchem Gedankenspiel ab, das Risiken bedeuten könnte. Doch die Vorzeichen haben sich geändert.

"Je mehr Windmühlen wir haben, desto besser", sagt etwa Werner Raithmayr. Der Technische Geschäftsführer der Energieversorgungssparte der Deutschen Bahn, DB Energie, verkündet dies nicht aus einer Laune heraus. Je mehr Windkraftanlagen in unterschiedlichen Regionen arbeiten, argumentiert er, desto eher würde ausgeglichen werden, dass der Wind nicht überall gleich stark weht. DB Energie ist daher dabei, Windkraftparks, wie kürzlich Elsdorf II, zwischen Hamburg und Bremen gelegen, unter Vertrag zu nehmen; zusammen mit 25 anderen, bereits vorhandenen Anlagen sollen die acht Rotoren 104 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren.

Der Deutsche Wetterdienst und computergestützte Hochrechnungen sagen inzwischen mit bis zu 95-prozentiger Zuverlässigkeit die zu erwartenden Windstärken in Deutschland voraus. Das ist wichtig, sagt Raithmayr, weil davon auch abhängt, ob und an welchen Orten eventuell noch konventionelle Kraftwerke hinzugeschaltet werden müssen. Die nämlich haben ihre Anlaufzeiten. Bei einem Kohlekraftwerk zum Beispiel liegen sie bei rund dreieinhalb Stunden. Moderne Gasturbinen-Kraftwerke können dagegen bereits nach zehn Minuten auf Volllast laufen. DB Energie hat sich deshalb auch am Bau eines 450 Millionen Euro teuren Gas- und Dampfturbinen (GuD)-Kraftwerkes in Bremen beteiligt.

Unterschiedliche Energieträger miteinander zu koppeln, wird künftig wohl eher die Regel als die Ausnahme sein. So nahm Ende 2011 ein auf erneuerbare Energien spezialisiertes Unternehmen namens Enertrag gemeinsam mit der DB, Vattenfall und Total nördlich von Berlin ein technisch höchst anspruchsvolles Hybridkraftwerk in Betrieb. Die Pilotanlage kombiniert die Energiequellen Wind, Wasserstoff und Biogas miteinander. Bei starkem Wind wird überschüssige Windenergie in Wasserstoff umgewandelt, gespeichert und auf Abruf wieder in Strom zurückverwandelt. Der Haken: Auch mit modernsten Methoden gehen durch jeden Umwandlungs- und Speichervorgang wertvolle Prozente verloren. Zudem stellen Pilotanlagen wie die in Prenzlau bislang nur Speicherleistungen im 100-Kilowatt-Bereich parat. Raithmayr: "Was wir bräuchten, ist mehr als das Tausendfache." Das aber sei aus Kostengründen bislang "nicht darstellbar".

Immerhin wird der Energieriese RWE der Deutschen Bahn von 2014 an jährlich etwa acht Prozent des von ihr benötigten Stroms aus 14 Wasserkraftwerken liefern. Trotzdem könnten ausgerechnet dann, wenn der Strombedarf besonders hoch ist, immer noch Engpässe drohen: Im Wintermonat Februar klettert der Verbrauch durch zusätzlichen Heizbedarf auf Höchstwerte. Gleichzeitig lassen Sonnenscheindauer, Wasserstand in den Speicherseen und Windstärken saisonal zu wünschen übrig.

Das 7800 Kilometer lange Hochspannungsnetz, mit dem die Bahn in Eigenregie ihre Oberleitungen versorgt, soll künftig stärker mit dem öffentlichen Netz gekoppelt werden, um Ausgleichsmöglichkeiten zu schaffen. Das könnte den Neubau mancher Hochspannungs-Trassen überflüssig machen. Allerdings laufen die Netze mit unterschiedlichen Frequenzen: Das Öffentliche mit 50 Hertz Wechsel-, und das der Bahn mit 16,7 Hertz Einphasenstrom. Neue Umrichter können damit zwar umgehen - doch sie müssen erst einmal eingebaut werden.

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel befasste sich bereits mit der Frage, ob es günstiger sei, regenerativ erzeugten Strom direkt ins Bahnnetz einzuspeisen oder ihn über das öffentliche 50-Hertz-Netz zu beziehen. DB Energie entschied sich dafür, weitere Steigerungen des Ökostrom-Anteils auf dem Weg über das öffentliche Netz anzustreben. Damit könnte die Bahn in Zukunft auch von sogenannten Smart Grids profitieren, intelligenten Stromnetzen, die örtlich begrenzte Schwächen durch eine große Menge von Kleineinspeisern ausgleichen. Treten Engpässe auf, regeln Smart Grids, an denen Elektrokonzerne wie Siemens schon seit einiger Zeit arbeiten, ferngesteuert den Energiekonsum in Privathaushalten herunter. Verbraucher wie Waschmaschinen oder Trockner bleiben dann vorübergehend ausgeschaltet, solange woanders viel Strom gebraucht wird.

© SZ vom 25.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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