53. Verkehrsgerichtstag in Goslar:Experten fordern Tempo 80 auf Landstraßen

Landstraße mit Tempolimit 80 km/h

Die Forderung des 53. Verkehrsgerichtstages: Tempo 80 für Personen- und Lastwagen auf der Landstraße.

(Foto: STA)
  • Um die hohe Zahl der Verkehrstoten auf Landstraßen einzudämmen, fordert der 53. Verkehrsgerichtstag in Goslar, das generelle Tempolimit für Personenwagen dort auf 80 km/h zu begrenzen.
  • Gleichzeitig sollen Lastwagen über 7,5 Tonnen künftig 80 statt 60 km/h fahren dürfen, um die Zahl riskanter Überholmanöver zu verringern.
  • Für Radfahrer soll es eine neue Promillegrenze geben. Ein Blutalkoholwert von 1,1 Promille könnte künftig ein Bußgeld nach sich ziehen.
  • Außerdem fordert das Gremium ein strengeres Vorgehen gegen die Nutzung von Smartphones am Steuer und Regelungen, um den Führerschein-Tourismus einzudämmen.
  • Die Empfehlungen des Gremiums sind nicht verbindlich, aber in der Vergangenheit oft in neue Gesetze und Verordnungen eingeflossen.

Deshalb fordert der Verkehrsgerichtstag Tempo 80 auf Landstraßen

Um schwere Unfälle zu vermeiden, fordern die Experten des 53. Verkehrsgerichtstages, die Höchstgeschwindigkeit für Autos auf Landstraßen generell auf 80 km/h herabzusetzen. Zugleich müsse das Limit für Lastwagen über 7,5 Tonnen von 60 auf 80 km/h angehoben werden, empfahl das Gremium am Freitag im niedersächsischen Goslar. Die Überlegung: Wenn die Tempi von Autos und Lkw angeglichen sind, kommt es zu weniger riskanten Überholmanövern. Nur auf ausgebauten Landstraßen solle auch künftig Tempo 100 gelten.

In den vergangenen Jahren waren bei Unfällen auf Landstraßen in Deutschland jeweils mehr als 1900 Menschen gestorben. Das sind etwa 60 Prozent aller Verkehrstoten. Um die Zahl einzudämmen, sollen gefährliche Abschnitte zudem baulich verändert werden. "Im Bestand müssen Hindernisse entfernt oder durch geeignete Schutzeinrichtungen gesichert werden", heißt es dazu in der Empfehlung des Verkehrsgerichtstages. Außerdem soll es künftig einfacher möglich sein, bei schlechter Sicht Überholverbote anzuordnen.

Linktipp: Die Empfehlungen des 53. Verkehrsgerichtstages im Wortlaut.

Hintergründe zur Promillegrenze für Radfahrer

Zudem verlangt der Expertenkreis eine neue Promillegrenze für Radfahrer. Künftig sollten alkoholisierte Radler ab 1,1 Promille Alkohol im Blut ein Bußgeld zahlen, heißt es in der Empfehlung. Sie sprechen sich also für einen Gefahrengrenzwert analog zur Regelung für Autofahrer aus. Dort liegt die Promillegrenze bei 0,5.

Das Gremium traf seine Entscheidung auf Basis von Untersuchungen, die gezeigt hätten, dass bei Radfahrern im Bereich von 0,8 bis 1,1 Promille eine signifikante Zunahme grober Fahrfehler auftritt. Bisher haben Radfahrer bis zu einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille keine Sanktionen zu befürchten, solange sie im Verkehr keine alkoholbedingten Fahrfehler begehen. Werden sie allerdings mit 1,6 oder mehr Promille angehalten, erfüllen sie einen Straftatbestand, der mit hohen Geld- sowie Freiheitsstrafen und auch Führerscheinentzug geahndet werden kann.

Die Unfallzahlen bleiben konstant

Der Zeitpunkt dieser Empfehlung des Verkehrsgerichtstages überrascht, denn die Zahl der alkoholisierten Fahrradfahrer, die an Unfällen mit Personenschaden beteiligt waren, ist seit einigen Jahren konstant. Einer vom Auto Club Europa (ACE) in Auftrag gegebenen Studie zufolge lag sie 2010 bei knapp 3500. Im Jahr 2013 standen von mehr als 77 000 Radfahrern, die an Unfällen mit Toten oder Verletzten beteiligt waren, 3432 unter Alkoholeinfluss. Dieser Anteil liegt mit mehr als 4,4 Prozent allerdings deutlich höher als bei Auto- (2,3) und Motorradfahrern (1,4 Prozent).

Fast jeder vierte betrunkene Fahrradfahrer wies einen Alkoholwert von mehr als zwei Promille auf. In den meisten Fällen (87,4 Prozent) waren es männliche Radfahrer, die alkoholisiert in Unfälle mit Personenschäden verwickelt waren.

Promillegrenzen für Radfahrer im Ausland

Anders als in Deutschland gelten in vielen europäischen Ländern bereits strikte Promille-Grenzen für Fahrradfahrer. In Tschechien und der Slowakei herrscht, wie für Autofahrer auch, absolutes Alkoholverbot. Eine Reihe von Staaten, darunter Italien, Frankreich, Spanien, die Niederlande, Belgien und die Schweiz, haben 0,5 Promille als Höchstwert festgeschrieben und die Regelung für Fahrradfahrer ebenfalls an jene für Autofahrer angepasst.

Keine festen Grenzwerte gibt es dagegen in Skandinavien, Irland und Großbritannien. Ein Freibrief für ungehemmtes Trinken sei dies allerdings nicht, sagte ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner. Auch in Ländern ohne Limit können alkoholisierte Radfahrer bestraft werden, wenn sie ihr Fahrrad nicht mehr sicher beherrschen.

Ablenkung durch Smartphones

Ein weiteres Thema war die Unfallgefahr durch Smartphones, die von Autofahrern während der Fahrt genutzt werden. Hier verlangt der Verkehrsgerichtstag vom Gesetzgeber, einen Rahmen für technische Lösungen zu schaffen, die jene Funktionen der Telefone deaktivieren, die während der Fahrt den Fahrer ablenken können.

Führerschein-Tourismus soll eingedämmt werden

Auch den Führerschein-Tourismus in Europa will der Verkehrsgerichtstag eindämmen. Dazu sollen neue Sperrfristen eingeführt werden, verlangte das Gremium. Wer den Führerschein verloren hat und nach deutschen Maßstäben ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, kann derzeit im Ausland eine Fahrerlaubnis erwerben, wenn er dort einige Zeit mit Wohnsitz gemeldet war. Dies soll nach dem Willen des Verkehrsgerichtstags künftig erst nach einer Sperrfrist von fünf und im Wiederholungsfall nach zehn Jahren möglich sein.

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