Einsamer als dieser Junge kann man sich kaum fühlen. Zunächst erkennt man ihn gar nicht, so dicht und schwarz ist der Rauch, der ihn umgibt.
Dann aber sieht man, dass Kwaku Prince Yeboah auf einer Müllkippe sitzt, auf einem Berg voller Glasscherben und Computertrümmer. Mit einem handballgroßen Stein zerschlägt er die Scheibe eines Monitors, der vor ihm liegt.
Prince Yeboah gehört mit seinen zehn Jahren schon zu den älteren Kindern auf der Mülldeponie hinter dem Agbogbloshie-Markt in Ghanas Hauptstadt Accra. Viele sind auch erst fünf oder sechs Jahre alt. Sie arbeiten auf dem größten Elektroschrottplatz des westafrikanischen Landes, einer gigantischen Giftmüllhalde.
Hier lassen sich Konzentrationen von Blei, Kadmium, Barium, Quecksilber, Chrom, Arsen, Beryllium oder Chlorbenzol finden, die Normalwerte um das Hundertfache übersteigen. Tausende Menschen leben von diesem Ort, an dem sich ausgeweidete PC-Gehäuse und zersplitterte Bildschirme bis zu vier Meter hoch türmen.
Der Boden besteht fast nur aus Asche, überall liegen Kabel herum, zerbrochene Platinen, Tastaturen, Prozessoren, Transformatoren und Hunderte Kothaufen. Auf Schlammlöchern und Tümpeln treiben Flecken, die grün, orangefarben oder blaumetallisch leuchten.
So sieht es aus, wenn Europa und die USA vorgeben, die "digitale Kluft" zwischen der Ersten und der Dritten Welt schließen zu wollen. Drei Viertel der Desktops, Laptops, Drucker, Scanner und Kopierer, die als Secondhandware nach Afrika exportiert werden, sind schlicht Elektroschrott.
Die gefährlichsten Jobs
Jedes Jahr, so schätzt die UN-Umweltbehörde, fallen weltweit 50 Millionen Tonnen giftigen Hightech-Mülls an, allein in Deutschland sind es etwa eine Million. Und die Menge nimmt zu, denn mit jeder technischen Neuerung wachsen die Elektroschrottberge in Afrika, China und Indien.
Was aber Secondhandware ist und was Müll, ist nicht definiert. Deshalb können Exporteure in Hamburg, Rotterdam oder in den USA völlig kaputte Elektronik als Gebrauchtware exportieren. Und nicht selten werden die defekten Computer, Drucker oder Bildschirme auch noch als Spenden für Schulen, Universitäten oder Hilfsorganisationen deklariert.
So kommt es, dass nur 25 Prozent der in der EU verkauften Rechner oder Bildschirme auch in Europa wiederverwertet werden, obwohl eine Brüsseler Richtlinie vorschreibt, dass alle Geräte von den Verkäufern oder Kommunen fachgerecht und entsprechend teuer entsorgt werden müssen.
Es sind vor allem Kinder wie Kwaku Prince Yeboah, die auf der Müllhalde die gefährlichsten Jobs erledigen. Sie zerschlagen Röhrenmonitore, um an die Metallhalterungen zu kommen, mit denen das Glas fixiert ist.
Doch die Scheiben enthalten nicht nur in hoher Konzentration das Nervengift Blei, sondern auch krebserregendes Kadmium, das zudem die Lungen und die Nieren angreift, und Barium, das zu Gehirnschwellungen, Muskelschwund sowie Herz- und Leberschäden führen kann.
Begehrte Mobiltelefone
Da die dünnen Metallhalterungen bei den Schrotthändlern nicht viel bringen, will diese Arbeit keiner der Jugendlichen und Erwachsenen machen. Sie verbrennen lieber riesige Kabelknäuel, um an Kupferdrähte zu gelangen. Oft benutzen sie zur Brandbeschleunigung neben Autoreifen auch FCKW-haltigen Schaumstoff aus alten Kühlschränken, so verpesten sie die Luft mit Dioxin- und Furandämpfen.
Bis zu zwei Euro können die Arbeiter mit dem gewonnenen Altmetall pro Tag verdienen. Das Kupfer verkaufen sie an ghanaische Schrotthändler, die es vor allem nach China exportieren.
Besonders begehrt sind in Ghana alte Handys, da sie nicht nur Kupfer und Eisen enthalten, sondern auch etwas Gold, Silber und Tantal. Doch Handys gelangen nur selten aus Europa nach Ghana, der größte Teil landet in der EU entweder in Schubladen oder im Hausmüll.
Wie lange Kwaku Prince Yeboah noch auf der Elektroschrotthalde arbeiten wird, weiß er nicht. Schon jetzt plagen ihn Kopfschmerzen und Übelkeit, außerdem zerschneidet er sich beim Zerschlagen der Monitore oft die Finger. Er müsse die Arbeit machen, sagt er, er wolle doch seine Schulgebühren verdienen.
Manchmal aber erhält er gar keinen Lohn. Auf dem Weg zum Schrotthändler, sagt er, sei er schon oft von Älteren überfallen worden, die ihm das wenige Metall auch noch wegnahmen.