Rauchende Schornsteine, dicke Rohre, zugige Backsteinhallen: Die Anlage in der Nähe von Antwerpen sieht aus wie viele Fabrikgelände. Schwerindustrie, könnte man denken, irgendetwas mit Stahl, oder vielleicht Chemie. Wäre da nicht ein aufwendiges Gehabe um die Sicherheit.
In der Recyclinganlage in Hoboken nahe Antwerpen lassen sich die Unmengen alter Leiterplatten und anderen Elektroschrotts nur mit Baggern bewältigen.
(Foto: Umicore)Eine Chipkarte öffnet die Tür zu einer Schleuse, die nur je eine Person passieren lässt. Schuhe, Mantel und Metallgegenstände werden konfisziert, auf Strümpfen schleicht man durch den Metalldetektor und wird hinterher noch abgetastet. Willkommen bei Umicore, Standort Hoboken bei Antwerpen. Es ist die moderne Version einer Rohstoffmine.
Im Innern des Hochsicherheitsbereichs führen zwei Mitarbeiter vor, was von all den Schleusen, Sicherheitsleuten und einem Safe bewacht wird: Ein Zwölf-Kilogramm-Barren Gold zum Beispiel, der leicht in eine Handtasche passen würde, aber so viel wert ist wie ein mittelgroßes, gut gelegenes Einfamilienhaus.
Oder ein unscheinbares hellgraues Pulver - ein Kilogramm Rhodium. Weltweit werden davon nur 25 Tonnen jährlich verbraucht, vor allem für Katalysatoren. 3,5 Tonnen davon gewinnt Umicore jährlich, mit einem Marktwert von derzeit etwa 210 Millionen Euro. Doch bei Umicore kommen diese wertvollen Rohstoffe nicht aus dem Erdboden, sondern aus Rohmaterial, das oft als Elektroschrott bezeichnet wird.
Nur fünf Firmen weltweit sind in der Lage, Elektroschrott in größerem Maßstab zu recyceln - neben Umicore sind das in Europa Aurubis in Deutschland und Boliden in Schweden. Bei ihnen liefern Hunderte von Entsorgungsunternehmen das sortierte Material ab, nachdem sie Handys, Fernseher und Computer in ihre Bestandteile zerlegt haben.
Was das Recycling so schwierig macht, ist die Tatsache, dass die wertvollsten Stoffe nur in winzigen Mengen enthalten sind. Es gilt das Huckepackprinzip: Recycling von Sondermetallen wie Tellur lohnt sich nur, wenn gleichzeitig weitere wertvolle Metalle wie Gold oder Platin gewonnen werden können. Und um an diese Stoffe zu gelangen, werden wiederum zunächst die Basismetalle Blei, Kupfer und Nickel im Schachtofen abgetrennt - danach wird weiter sortiert.
In einer Tonne alter Handys stecken 300 Gramm Gold
In der Kupferextraktionshalle in Hoboken rauscht es und stinkt nach Schwefel. In riesigen Löschkesseln wird das Metall mit Schwefelsäure versetzt und dann in flache Becken geleitet, durch die elektrischer Strom fließt. Dabei trennt sich das Kupfer ab, übrig bleiben die wertvolleren Metalle, die anschließend weiter aufbereitet werden. An einem Schaltpult starren zwei Techniker auf fünf Bildschirme, sie steuern den Prozess.
Die Abfälle des Computerzeitalters sind ergiebiger als jede Mine: Während eine Tonne Golderz nur höchstens fünf Gramm Reingold enthält, stecken in einer Tonne Handys - ohne Akkus - bis zu 300 Gramm Gold. Sieben Edel- und elf weitere Metalle werden in Hoboken isoliert, darunter neben Gold und Silber auch Platin, Palladium, Rutenium, Rhodium, Gallium und Indium; ein Lithiumofen zum Akku-Recycling soll in diesem Jahr in Betrieb gehen.
Viele dieser Metalle stehen auf der Liste der sogenannten "Kritischen Rohstoffe", die die EU-Kommission im Juni veröffentlicht hat: Stoffe, die nur in wenigen Ländern abgebaut werden und von denen die Industrie extrem abhängig ist. Recycling ist daher kein Luxus. Allein die Autoindustrie verbraucht für Katalysatoren jährlich mehr Rhodium, als weltweit abgebaut wird.
Die Mengen, in denen viele der kritischen Rohstoffe benötigt werden, klingen oft lächerlich. Der Welt-Jahresverbrauch von Iridium etwa entspricht einem Würfel von nur 56 Zentimeter Kantenlänge. Gemäß einer Studie des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung wird beispielsweise der Bedarf an Indium, Gallium und Germanium in 20 Jahren etwa das Drei- bis Sechsfache dessen betragen, was heutige Minen hergeben - unter anderem, weil diese Metalle für Solarenergie und moderne Bildschirme benötigt werden.
"Die absolute Knappheit kommt nicht so bald", sagt Christian Hagelüken, Leiter der Geschäftsentwicklung bei Umicore. "Wenn man tief genug bohrt und immer ärmere Erze aufbereitet, wird man noch lange Rohstoffe finden." Doch die Abbaubedingungen werden schwieriger, es kostet mehr Energie und mehr Geld, Flächenbedarf, Wasserverbrauch und Umweltbelastung steigen. Umso mehr lohnt sich das Recycling.