Wetterbilanz 2010:Extrem auf Extrem

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Im Mittel eher gemäßigt, doch geprägt von außergewöhnlichen Entwicklungen und Rekorden: 2010 war meteorologisch gesehen bemerkenswert.

Christopher Schrader

Das Gedächtnis spielt einem immer mal wieder einen Streich. Ereignisarme Zeiten, die beim Durchleben lang erscheinen, wirken in den Erinnerung kurz. Perioden mit viel Abwechslung rasen nur so vorbei und sind im Rückblick lang. Was das Wetter angeht, war das Jahr 2010 vom zweiten Typ. "Sehr abwechslungsreich, teilweise extrem" nennt es der Deutsche Wetterdienst (DWD) in seinem am Mittwoch veröffentlichten Jahresrückblick.

Starker Frost hat derzeit Deutschlands Norden im Griff. Nur eines von vielen Wetterextremen des zu Ende gehenden Jahres. (Foto: dpa)

Bittere Kälte zum Anfang, von Schnee und Eis abgeschnittene Ostsee-Inseln, Glatteis noch Mitte März, ein sonniger April, Unwetter im Mai, bei denen Erdrutsche die Sperrung der Autobahn A3 und des Rhein-Main-Donau-Kanals erzwangen, Hitze im Juni, Gewitter und Hagel im Juli, Rekord-Regen im August, ein nasser Herbst und im Dezember schon wieder Massen von Schnee. Etwa 20.000 Unwetterwarnungen hat der DWD 2010 aussprechen müssen, das sind etwa zehn Prozent mehr als gewöhnlich, schätzt dessen Sprecher Gerhard Lux.

Die Durchschnittswerte sind allerdings eher zahm. Im Mittel war es in Deutschland im vergangenen Jahr 7,9 Grad Celsius warm. Das liegt leicht, um 0,3 Grad, unter dem langjährigen Erwartungswert der Jahre 1961 bis 1990. Aber es war im Vergleich zu vielen Vorjahren, die eine Neun vor dem Komma hatten, fühlbar kühler; seit 1996 hatte Deutschland nicht mehr so niedrige Temperaturen. Die Niederschläge lagen etwas über dem Durchschnitt, die Sonnenscheindauer entsprach ziemlich genau dem langjährigen Sollwert - hier war es das erste Mal seit 2002, dass diese Norm nicht übertroffen wurde. Die einzelnen Bundesländer erlebten sehr unterschiedliche Jahre: Das Saarland war das wärmste, Bremen das sonnigste und Berlin das trockenste Land, Sachsen das kälteste und nasseste und Nordrhein-Westfalen das wolkigste.

Hinter diesen gemittelten Aussagen verbergen sich teils dramatische Einzelwerte. Nur ein Beispiel: Es gab im Sommer gleich mehrmals Starkregen, der mehr als 100 Liter Wasser pro Quadratmeter ausschüttete - so etwas wurde es in den Vorjahren gar nicht beobachtet. Den Rekord vermeldete Steinfurt im Münsterland mit fast 162 Litern pro Quadratmeter am 26. August. In der Gegend wurde der Bahnverkehr eingestellt, Autobahnen waren überflutet.

In der Abfolge der Monate war der gerade zu Ende gehende Dezember bemerkenswert. Er war mit minus 3,5 Grad um 4,2 Grad kälter als nach dem langjährigen Mittel zu erwarten. Gleichzeitig hat fast die Hälfte der 2000 Messstationen des DWD einen neuen Rekord der Schneehöhe ermittelt, sagt Gerhard Lux. So gab es flächendeckend im Land weiße Weihnachten. Zuletzt war das 1981 eingetreten, aber diesmal lag mehr Schnee.

Deutschlands Nachbarn in Europa haben zuletzt unter ähnlich extremem Wetter gelitten. Skandinavien, die britischen Inseln und Frankreich haben jeweils sehr kalte Novembertage erlebt, und die veröffentlichten Dezemberwerte liegen oft ebenfalls weit unter dem Durchschnitt. Teilweise war es im hohen Norden wärmer als in Mitteleuropa. Am Polarkreis und in Grönland wurden Plusgrade gemessen, während Deutschland unter Dauerfrost lag. Auch die Kanadier haben den zweitwärmsten Herbst seit 1948 vermeldet.

Trotz der Kälte in Deutschland und Europa dürfte das Jahr 2010 daher im globalen Mittel sehr warm werden. Wetterdienste in aller Welt melden, dass die ersten elf Monate wärmer waren als jeder vergleichbare Zeitraum der Statistik. Zuletzt hat am Mittwoch auch die amerikanische Wetterbehörde Noaa diese Analyse veröffentlicht. Ob 2010 tatsächlich im Vergleich der Kalenderjahre den Spitzenplatz behält, zeigt sich erst bei der Auswertung der Messdaten in der zweiten Januarhälfte. Am Ende könnte es ein Fotofinish geben, bei dem die zweite oder dritte Stelle nach dem Komma entscheidet.

© SZ vom 30.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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