Warmer Winter:Kickstart für die Natur

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Meisen zwitschern schon und erste Pollen fliegen: Die Natur reagiert auf das ungewöhnlich warme Wetter. Das hat überwiegend positive Effekte. Doch einige Auswirkungen könnten bis in den Sommer reichen.

Von Katrin Blawat

Wenn für das Nötigste gesorgt ist, kann man seine Energie für das Schöne, aber nicht Lebensnotwendige einsetzen. Nach diesem Prinzip verfahren derzeit die Meisen und Amseln, die vielerorts in die warme Januarluft hineinsingen. Sie können es sich leisten: Wegen des milden Wetters fällt es ihnen leicht, ihre Körpertemperatur zu halten, und das Futter ist ebenso reichlich vorhanden wie leicht erreichbar. Warum also nicht singen?

Dem Kalender nach herrscht Winter, die Natur aber hat in vielen Teilen schon auf Frühjahr geschaltet. Manche Vögel, Insekten und Pflanzen verhalten sich derzeit bereits so, wie es eigentlich erst in einigen Wochen zu erwarten wäre. Wem das merkwürdig oder "unnatürlich" vorkommt, den kann Julian Heiermann vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) beruhigen: "Die milden Temperaturen haben auch positive Effekte." Viele Tiere und Pflanzen kommen erstaunlich gut zurecht mit winterlichen Warmphasen und können schnell genug reagieren, wenn es danach doch noch frostig wird.

"Ein Zitronenfalter könnte schon auftauchen"

Deutliche Vorteile bringt die Wärme zum Beispiel für Vögel - nicht nur für jene, die nun schon singen. "Sogar viele gesunde Schleiereulen verhungern in strengen Wintern, wenn ihre Beute unter einer dicken Schneeschicht versteckt ist", sagt Heiermann. Das ist derzeit nicht zu befürchten. Anderen Vögeln erspart das milde Wetter einen Wohnortwechsel. Kohlmeisen bleiben in den Wäldern, statt wie sonst im Winter in die Gärten zu kommen, wo Futter leichter zu haben ist. Sollte es in den kommenden Tagen oder Wochen doch noch kalt werden, können sie ja immer noch umziehen. Ähnliches gilt auch für Zugvögel wie Kraniche. Sie verbringen den Winter normalerweise in Frankreich oder Spanien - haben sich aber in vielen Fällen noch nicht auf die Reise gemacht.

Dass der Jahreszeiten-Rhythmus der Vögel komplett durcheinandergerät, sei hingegen nicht zu befürchten, sagt der Nabu-Experte. "Auch wenn eine Meise jetzt schon singt, fängt sie noch nicht mit dem Nestbau an. Sie ist an das Hin und Her des Wetters recht gut angepasst." So steuern außer der Temperatur noch andere Faktoren wie die Tageslänge und eine genetisch fixierte innere Uhr das Verhalten.

Diese mehrfache Absicherung schützt auch Tiere im Winterschlaf davor, nun schon aktiv zu werden. Insekten allerdings, die lediglich in eine Winterstarre fallen, können daraus derzeit erwachen. "Ein Zitronenfalter könnte jetzt durchaus auftauchen", sagt Heiermann. Wird es aber kalt, schalten die Schmetterlinge wieder in den Wintermodus und fallen in ihre Starre zurück. Ähnliches gilt für Zecken, die bei den derzeitigen Temperaturen bereits aktiv sein können. Im Falle eines Kälteeinbruches werden sie jedoch ebenfalls wieder verschwinden.

Weniger aus Sorge um die Natur als um sich selbst fragen sich viele Menschen, was ein milder Winter für die kommende Mückensaison bedeutet. Die kurze Antwort lautet: so gut wie nichts. Entscheidend ist vielmehr der Frühling. Wird er feucht und warm, können sich besonders viele der Insekten entwickeln. "Die Zahl der Individuen, die im Frühjahr starten, ist dagegen jedes Jahr recht konstant", sagt der Nabu-Biologe. Ob im Winter Minusgrade oder warme Temperaturen vorherrschen, spielt für das Überwintern von Stechmücken und deren Eiern kaum eine Rolle. Wenn überhaupt, wirkt sich ein milder Winter sogar eher nachteilig auf die Populationen von Mücken und anderen Insekten aus. Denn in der feuchten Milde entwickeln sich Schimmelpilze besonders leicht, und die können Insekten schwer zusetzen.

Bei spätem Frost droht Ernteausfall

Auch manche Pflanzen reagieren auf die milden Temperaturen. Das merkt vor allem, wer sehr empfindlich gegenüber Pollen ist. In Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und im Frankfurter Raum hat der deutsche Wetterdienst eine geringe Belastung mit Haselpollen festgestellt. Im Südwesten Deutschlands zeugen zudem die ersten Gänseblümchen und Schneeglöckchen vom bislang warmen Winter. "Für die Frühblüher ist die Milde überhaupt kein Problem", sagt der Biologe Heiermann. Sogar einen plötzlichen Kälteeinbruch können diese Pflanzen gut verkraften, wenn sie dabei von einer dicken Schneeschicht isoliert werden.

Um Pflanzen allerdings, die für einen solchen natürlichen Schutz zu groß sind, machen sich Landwirte bei einem starken Temperaturabfall nach einer Warmphase Sorgen. Obstbäume könnten bald schon Knospen bilden, sollte es noch länger derart warm bleiben, und auch Wintergetreide könnte sich weiter entwickeln, als es für diese Jahreszeit üblich ist. Folgt darauf später strenger Frost, müssen Bauern mit Ernteverlusten rechnen.

© SZ vom 09.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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