Der Klimawandel setzt dem Wald zu, zwei Sommer mit Hitze und Dürre haben enorme Schäden angerichtet. An diesem Donnerstag bittet Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Beteiligten zum Gespräch, der Deutsche Forstwirtschaftsrat und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände fordern 2,3 Milliarden Euro Soforthilfen. Lutz Fähser, 74, hat als leitender Forstdirektor vor 25 Jahren begonnen, den Lübecker Stadtwald naturnah zu bewirtschaften. Er arbeitet heute als Gutachter für Entwicklungsprojekte, engagiert sich im Bund für Umwelt und Naturschutz und übt scharfe Kritik an den Plänen der Verbände.
SZ: Herr Fähser, wie geht's Ihrem Wald in Lübeck?
Lutz Fähser: Sehr gut. Wir haben in den vergangenen Jahren viel auf Buchenwälder umgestellt, ich kann nicht sehen, dass sich viel verändert hat.
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Bislang sind die gemäßigten Regenwälder im Norden der USA weitgehend geschützt. Das will der Gouverneur des Bundesstaates ändern - und findet einen bedeutenden Unterstützer im US-Präsidenten.
Andernorts kommen auch aus Buchenwäldern Berichte von erheblichen Schäden.
Lange Zeit wurden Buchen zu stark vereinzelt, man glaubte, dann können sie sich besser entwickeln. Das ist ein Fehler, denn dann entsteht Wärme und Trockenheit im Wald. Buchen benötigen aber Schatten und Feuchtigkeit. Sie sind sehr flexibel und anpassungsfähig, aber nur in dichten Beständen.
Viele Waldbesitzer und Forstwissenschaftler sprechen von einer Katastrophe, der Wald gehe kaputt. Machen die alle etwas falsch?
In Deutschland herrscht eine Lobby aus Forstbeamten und Waldbesitzern, die den Wald primär als ausbeutbares Wirtschaftsgut betrachtet. Wie einen Acker. Doch jetzt hat der Klimawandel ernst gemacht, schnell wachsendes Nadelholz wie Fichte und Kiefer ist hierzulande in tieferen Lagen nicht heimisch und sowohl der Hitze wie anschließend dem Borkenkäfer schutzlos ausgeliefert. Diese Forsten können ohne massive Finanzhilfen nicht mehr leben, sind weder wirtschaftlich noch nachhaltig, obwohl Letzteres die Wald- und Naturschutzgesetze verlangen. Als Rettung sollen nun exotische, schnell holzproduzierende Wunderbaumarten aus anderen Kontinenten eingeführt werden. Damit geben die Verantwortlichen die Idee des sich selbst regulierenden Waldes auf. Das dient ausschließlich der Versorgung der Holzindustrie.
Was ist Ihr Vorschlag, wie man dem Klimawandel begegnen soll?
Man muss erkennen, dass das aktuelle Absterben vieler Bäume wesentlich an einer naturfernen Holzwirtschaft ohne ausreichende Rücksicht auf ökologische Grundlagen liegt. Der Wald passt sich seit Millionen Jahren an sich verändernde Bedingungen an und ist nie verschwunden, deshalb sollte man sich zu einer streng naturorientierten Waldbehandlung mit vornehmlich heimischen Laubwäldern bekennen. Das beinhaltet die Abkehr von den üblichen Baumplantagen, stattdessen sollte man eine viel dichtere Pflanzenwelt zulassen.
Arbeitet Ihr Forst in Lübeck wirtschaftlich?
Mehrere Studien haben gezeigt, dass wir auch betriebswirtschaftlich am besten abschneiden, der jährliche Reinertrag liegt zehn bis 20 Prozent höher als bei anderen Konzepten. Das liegt an einer massiven Reduktion der Kosten, weil bei uns die Natur die meiste Arbeit leistet. Wir holen zwar nur 50 Prozent der nachwachsenden Bäume aus dem Wald, doch erstens haben wir viel mehr Holz pro Hektar Wald und zweitens sind unsere Hölzer wertvoller. Inzwischen haben viele andere Kommunen wie München, Berlin oder Hannover unser Konzept übernommen.
Was erwarten Sie von Ministerin Klöckner?
Ich befürchte, dass sich die dominierende Lobby noch einmal durchsetzt und Millionen für den Umbau ihrer Baumplantagen erhält. Doch der Druck wird größer, die von uns selbst gemachte Schwächung der Forsten fliegt gerade auf. Zuletzt haben 50 Forstexperten die Ministerin in einem offenen Brief zum Umdenken aufgefordert. Kein Politiker kann dauerhaft so weitermachen. Es wird sich innerhalb der nächsten zwölf Monate einiges zugunsten der richtigen Wälder verändern.
Es heißt, Sie gelten mit einigen anderen als Außenseiter in der Branche, werden verachtet und angefeindet.
Die Sprache in Forstkreisen ist derb. Das liegt unter anderem an der paramilitärischen Entstehungsgeschichte der Forstverwaltungen vor circa 200 Jahren. Die öffentlichen Verwaltungen sind sehr hierarchisch organisiert. Der große Privatwald ist häufig in Besitz ehemals adeliger Familien, die einen ähnlichen Ton pflegen. Die meisten dort sehen Kritiker nicht als Diskussionspartner, sondern als Feinde, die man eliminieren muss. Entziehen sich Einzelne dem Mainstream erfahren sie massive Ausgrenzung. Ich konnte meine Ideen dennoch immer umsetzen. Ich verzweifle nur manchmal daran, dass erst 20 Prozent des deutschen Waldes naturnah bewirtschaftet werden.