Vorausschauender Versand:Verschickt noch vor der Bestellung

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Kommen bei der Post bald Amazon-Pakete an, die noch niemand bestellt hat? (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Versandhändler Amazon hat ein irritierendes Patent erhalten: Er will Pakete abschicken, bevor sie überhaupt jemand bestellt hat. Allerdings nicht direkt an den Kunden.

Von Christoph Behrens

Die Algorithmen von Amazon, mit deren Hilfe das Unternehmen Bücher, DVDs oder Kleidungsstücke empfiehlt, gehören sicher zu den mächtigsten des Internets. Die Fähigkeit, scheinbar genau zu wissen, was der Nutzer will, ermöglichte Amazon den Aufstieg zum führenden Versandhändler.

Zahlreiche Patente hat die Firma dafür erhalten, möglichst exakt herauszufinden, wo jemand wohnt, welche Sprachen er spricht und ob er Texte von Beauvoir oder Musik von Bohlen mag. Sogar das Wetter am Ort des Nutzers fließt in die Empfehlungen mit ein. In einem seiner Patente beschreibt der Shopping-Riese, wie er anhand der Taktfrequenz der heruntergeladenen Musikstücke neue Songs empfiehlt.

Jetzt hat Amazon in den USA ein Patent darauf erhalten, Pakete abzuschicken, bevor sie überhaupt jemand bestellt hat. "Vorausschauender" oder "spekulativer" Versand nennt der Händler diese Methode, mit der er seine Logistik optimieren will. Es ist eine etwas unheimliche Vorstellung: Man stellt seinen Warenkorb zusammen, möchte auf "Bestellen" klicken - doch in genau diesem Moment klingelt der Postbote schon mit dem Paket in der Hand.

Vermutlich aber ist diese Idee grundfalsch. Vielmehr kann Amazon mithilfe seiner Algorithmen und enormen Datensätzen mittlerweile so genaue Vorhersagen treffen, dass es Pakete schon einmal vorsorglich von einem seiner Logistikzentren in eine Stadt schicken kann, in deren Nähe der potenzielle Kunde wohnt. Läuft alles so, wie von Amazon geplant, trifft die vorhergesagte Bestellung ein, während das Paket unterwegs ist. Die Fracht erhält noch unterwegs den richtigen Adressaten aufgedruckt.

Ob die Technik tatsächlich zum Einsatz kommt (oder vielleicht sogar schon längst realisiert wurde), ist jedoch unklar. Wie die Geschichte des Patents zeigt, hatte Amazon schon 2004 erstmals die Idee für ein solches System.

Das macht die Grundidee aber nicht weniger befremdlich, denn mit dem Wunsch, das zukünftige Verhalten von Personen abzuschätzen, ist Amazon keineswegs allein. Auch manche Vorhaben der Sicherheitsforschung zielen darauf ab, ungewöhnliches Verhalten von Passanten schon im Vorhinein zu erkennen.

Unter dem Schlagwort "Predictive Policing" (etwa: vorhersagende Ermittlungen) geht zum Beispiel die Polizei im kalifornischen Santa Cruz auf Verbrecherjagd. Anhand von Vorhersagen eines Computers entscheiden die Polizisten, in welchem Viertel ein Einbruch wahrscheinlich ist und gehen dort auf Streife.

© SZ vom 21.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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