Schon im November 2008 war Pansy, eine gut 50 Jahre alte Schimpansin, lethargisch geworden. Offenbar geschwächt, legte sie sich nun immer nach den Mahlzeiten auf den Boden der Käfiganlage im Blair Drummond Safaripark in Schottland.
Ihre Mitinsassen blieben jedoch bei ihr, verhielten sich ungewöhnlich ruhig und lausten sie liebevoll. Wenn es dunkel wurde, bauten sie ihre Nester in ihrer Nähe, statt wie gewohnt die Plattformen im Nachtbereich der Anlage zu beziehen. Hatten Pansys Tochter Rosie, die Schimpansin Blossom und deren Sohn Chippie etwas geahnt?
Wenige Tage später gelang es, mit Hilfe fest installierter Videokameras, Szenen zu filmen, die selbst Primatologen bislang selten gesehen haben: Pansy kletterte am 7. Dezember mühsam auf eine der Plattformen, legte sich hin und begann angestrengt und unregelmäßig zu atmen.
Die anderen Schimpansen kamen zu ihr, lausten und streichelten sie ausgiebig bis zum Augenblick ihres Todes um 16:24 Uhr; danach hörten sie allerdings sofort auf.
Nur Tochter Rosie hielt fast die ganze folgende Nacht Wache am Sterbelager ihrer Mutter. Erst nach fünf Tagen betraten die hinterbliebenen Schimpansen wieder die Sterbe-Plattform, noch Wochen danach verhielten sie sich bedrückt und fraßen weniger.
Das Forschungsteam ist sich sicher
Obwohl es ein häufiger Fehler ist, aufgrund von Analogien im Verhalten von Tieren und Menschen auf ähnliche emotionale und kognitive Hintergründe zu schließen, ist sich das Forschungsteam diesmal sicher:
Die Beobachtungen "zeigen, dass das Todesbewusstsein der Schimpansen weiter entwickelt ist als weithin angenommen", sagt der Psychologe James Anderson von der schottischen University of Stirling, der die Studie gemeinsam mit Kollegen in der Fachzeitschrift Current Biology (online) publiziert hat.
Die beobachteten Verhaltensweisen seien klare Hinweise darauf, dass die Tiere den bevorstehenden Tod ihrer Artgenossin Pansy geahnt und deshalb versucht hatten, ihr Beistand zu leisten und Trost zu spenden. Später hätten sie Trauer gezeigt und Pietät bewiesen, indem sie das Todeslager scheuten.
Lesen Sie auf der nächsten Seite über eine zweite aktuelle Studie zum Umgang von Schimpansen mit dem Tod.
Dass die Sachlage vielleicht doch nicht ganz so eindeutig ist, zeigt eine zweite Studie zum Thema, die ebenfalls in der aktuellen Ausgabe von Current Biology erschienen ist.
Das Team um die Zoologin Dora Biro von der University of Oxford beobachtete in einer Schimpansenkolonie in den Wäldern um das Dorf Bossou im westafrikanischen Guinea, wie zwei Jungtiere an einer grippeähnlichen Krankheit starben.
Mütter, die nicht von ihren toten Kindern lassen wollen
In beiden Fällen wollten die Mütter nicht von ihren toten Kindern lassen und trugen sie 19, respektive 68 Tage mit sich herum. Obwohl die Kadaver der Tiere in dieser Zeit völlig mumifizierten, behandelten die Mütter sie so, als seien sie lebendig.
Sie ließen sie nie aus den Augen, lausten sie und nahmen sie mit in ihre Schlafnester. Erst nach Tagen und Wochen konnten sie loslassen und erlaubten es sogar anderen Jungtieren, mit den Leichen zu spielen.
Doch wie ist das Verhalten der Mütter zu werten? Schließlich ließe es sich ja auch so interpretieren, dass diese nicht wirklich verstanden hätten, dass ihre Jungen tot seien, gibt Biro zu bedenken.
Jedenfalls würden die Beobachtungen belegen, dass "zwischen den Müttern und ihrem Nachwuchs eine extrem starke Bindung besteht, die auch nach dem Tod des Kindes noch andauert", sagt Biro.
Nun müsse man weiter forschen, um die "faszinierende Frage" nach der Todeswahrnehmung der Schimpansen besser zu beantworten - nicht zuletzt deshalb, weil man dann auch etwas über die Genese der menschlichen Sterbensangst erfahren könnte.