Natürlich ist es richtig, die ethischen Grenzen der embryonalen Stammzellforschung im Patentrecht zu klären. Auch gegen die Begehrlichkeiten derjenigen, die von einer kommerziellen Nutzung der Zellen profitieren könnten. Und es klingt schon furchtbar, wenn die Vertreter von Greenpeace von einer "industriellen Nutzung menschlicher Embryonen" warnen, die nicht patentiert werden dürfe.
"Der menschliche Körper soll in allen Phasen seiner Entwicklung von Patentierung ausgenommen sein", forderte etwa der Experte der Umweltschutzorganisation, Christoph Then, und warnte vor einer "regelrechten Embryonenindustrie, die in Europa entstehen könnte.
Der Europäische Gerichtshof hat nun im Sinne der Bewahrer entschieden. In Europa soll es unmöglich sein, Verfahren patentieren zu lassen, die die vorherige Zerstörung der Embryos oder ihre Verwendung als Ausgangsmaterial erfordern.
Die Richter sind den Empfehlungen ihres französischen Generalanwalts Yves Bot gefolgt, der erklärt hatte, als Embryo sei auch die Blastozyste anzuerkennen - also der etwa fünf Tage alte Zellhaufen, der zur Gewinnung von Stammzellen dient. Sogar vom Stadium der Zeugung an sei jede menschliche Eizelle bereits als "menschlicher Embryo" anzusehen, da die Befruchtung den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang setze, so entschied jetzt der Gerichtshof in Luxemburg. Und wenn Embryos zur Gewinnung von Stammzellen zerstört würden, so verstoße dies gegen den Schutz der Menschenwürde.
Doch diese Begründung ist fragwürdig. Zuletzt hat das die Bundestagsdebatte um die Präimplantationsdiagnostik im Juli gezeigt. Dabei ging es um die Frage, ob Eltern sich dafür entscheiden können, künstlich gezeugte Embryos NICHT in die Gebärmutter einer Frau einsetzen zu lassen - sondern sie auszusondern.
Etliche Experten hatten dazu erklärt, dass es bei Embryos bis zum 14. Tag nach der Zeugung zwar um menschliches Leben handelt, aber noch nicht um einen werdenden Menschen, ein Individuum. Und so wie es nicht gegen die Menschenwürde verstößt, einen solchen Embryo sterben zu lassen, kann es auch nicht gegen die Menschenwürde verstoßen, Stammzellen daraus zu gewinnen. Schon das Bundesverfassungsgericht hatte 1975 ja festgestellt: "Leben im Sinne der geschichtlichen Existenz eines menschlichen Individuums besteht nach gesicherter biologisch-physiologischer Erkenntnis jedenfalls vom 14. Tag nach der Empfängnis an."
Oliver Brüstle, der Bonner Wissenschaftler, dessen Patent aus dem Jahre 1999 den Streit ausgelöst hatte, wollte Embryos übrigens nur bis zum 14. Tag nach der Entstehung nutzen. Außerdem ging es um die Verwendung von Stammzellen, die von Embryos stammen, die bereits vor etlichen Jahren zerstört wurden.
Generalanwalt Yves Bot und der Gerichtshof in Luxemburg stellen sich mit dem Urteil jetzt jedoch auf den gleichen Standpunkt wie die Kirchen - insbesondere die katholische Kirche -, die bereits der befruchteten Eizelle eine Menschenwürde und sogar eine Identität zuspricht. Und sie zwingt allen anders denkenden Menschen diese weltanschauliche Sichtweise nun zumindest in Bezug auf die Patente auf.
Greenpeace ging es darum, dass durch das Verbot der Patente ein wirtschaftlicher Anreiz geschaffen wird, andere Verfahren zu entwickeln, die ethisch weniger bedenklich sind. Das klingt gut. Aber wenn es eben kein Verstoß gegen die Menschenwürde ist, Stammzellen aus wenige Tage alten Embryos zu gewinnen, verliert dieses Argument die Grundlage.
Jene, die für sich in Anspruch nehmen, für mehr Ethik in der Biotechnologie einzutreten, feiern das Urteil als Erfolg. Auf der anderen Seite werden damit alle Wissenschaftler als unethisch diffamiert, die wie das Bundesverfassungsgericht den wenige Tage alten Embryo noch nicht als Individuum betrachten.
Natürlich müssen die Methoden der Grundlagenforscher und die kommerzielle Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse ethisch vertretbar sein. Und neue technische Möglichkeiten zwingen uns dazu, neu darüber zu diskutieren, ob ihre Anwendung gegen die Menschenwürde verstößt. In der Begründung ihres Urteils aber schießen die Luxemburger Richter über dieses Ziel hinaus.