UN-Konferenz in Durban:"Man darf nicht resignieren"

Lesezeit: 4 min

Angesichts der Schuldenkrise ist ein drängendes Problem fast in Vergessenheit geraten: Die immer stärkere Erwärmung der Erde. Auf dem UN-Klimagipfel in Südafrika kann die Weltgemeinschaft jetzt zeigen, wo ihre Prioritäten liegen - im Wirtschaftswachstum oder dem Schutz des Klimas.

Im südafrikanischen Durban hat die 17. UN-Klimakonferenz begonnen. Etwa 20.000 Delegierte, Experten, Politiker, Funktionäre und Journalisten aus 194 Ländern haben von heute an zwei Wochen Zeit, zu demonstrieren, wie ernst sie es mit der Bekämpfung des Klimawandels meinen und wie wichtig es ihnen ist, die Menschen vor den langfristig drohenden negativen Folgen der Erderwärmung zu schützen.

Doch dass sie die Gelegenheit tatsächlich nutzen, ist fraglich. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Staaten, die auf dem Klimagipfel miteinander verhandeln.

Dabei haben Klimaexperten aus aller Welt in der jüngsten Vergangenheit deutlich gemacht, wie dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen: Bis zum Jahre 2100 könnte sich die Atmosphäre unseres Planeten sonst um bis zu fünf Grad Celsius erwärmen.

Dabei hatten sich die Länder auf den Klimakonferenzen im dänischen Kopenhagen 2009 und dem mexikanischen Cancún 2010 darauf geeinigt, dass es im Vergleich zur vorindustriellen Zeit maximal zwei Grad mehr sein dürften.

Und schon dieses Ziel war festgelegt worden, weil es erreichbar scheint, und nicht etwa, weil man damit alle Klimawandelfolgen verhindern könnte. Mit einer Zunahme von Tropenstürmen, Dürren, Überschwemmungen und mit einer Ausbreitung von Wüsten und mit Flüchtlingsströmen muss die Menschheit trotzdem rechnen.

Die Grundlage für die Fünf-Grad-Schätzung sind Messungen der Treibhausgase in der Atmosphäre. Deren Konzentration nimmt nicht, wie gehofft, ab, sondern wächst. 2010 waren es dem Global Carbon Project zufolge 33,5 Milliarden Tonnen CO2 - so viel nie zuvor. Wie die meteorologische Organisation der UN kürzlich berichtete, lag die mittlere Konzentration bei 389 Teilchen pro Million Luftmoleküle (ppm). Lediglich 280 ppm waren es vor der industriellen Revolution gewesen. Weiterhin werden also kräftig Treibhausgase ausgestoßen, und was mancherorts aufgrund guten Willens oder auch wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise eingespart wurde, wurde durch die Zunahme andernorts weit mehr als aufgehoben.

Es ist also dringend notwendig, dass sich die Weltgemeinschaft jetzt auf der UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban auf gemeinsame Maßnahmen einigt, um die Emissionen zu verringern. Noch gilt das 1997 ausgehandelte Kyoto-Protokoll, in dem sich etliche Staaten verpflichtet hatten, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Doch zum einen haben die USA das Protokoll gar nicht erst ratifiziert, für Schwellenländer wie China und Indien waren keine Verringerungen vorgesehen. Lediglich 37 Staaten hatten sich verpflichtet, ihren CO2-Ausstoß zu vermindern oder die Zunahme zu bremsen.

Zum anderen läuft das Protokoll 2012 aus. Um den Klimawandel zu bremsen, muss es fortgeschrieben oder durch ein anderes verbindliches Klimaabkommen ersetzt werden.

Die Aussichten sind trübe. Denn gerade die Länder mit den größten Treibhausgas-Emissionen machen keine Hoffnungen auf große Veränderungen. Insbesondere die USA zeigen auch unter Präsident Barack Obama wenig Interesse an weitgehenden Klimaschutzmaßnahmen, weil befürchtet wird, dass sie das Wirtschaftswachstum bremsen. Das gleiche gilt für China und Indien. Und die EU und Japan sehen wenig Sinn darin, sich selbst in die Pflicht zu nehmen, wenn die wichtigsten Klimasünder nicht mitmachen.

Die Überflutungen in Bangladesch, Indien, Pakistan, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Thailand und Kambodscha sowie andere Katastrophen sind nur jener Teil der klimabedingten Katastrophen, über die in den internationalen Medien berichtet wurde, warnt die Hilfsorganisation Caritas. (Foto: AFP)

Leichter fällt es den Staaten der Welt da offenbar, einen Fonds einzurichten, der ärmeren Ländern helfen soll, sich an Folgen des Klimawandels anzupassen und sich klimafreundlich weiterzuentwickeln.

Noch ist nicht ganz klar, woher das Geld kommen soll. Das Bild eines Menschen drängt sich auf, für dessen bevorstehende schwere Krankheit Medikamente bereitgestellt werden, anstatt Maßnahmen zu ergreifen, die dem Leiden vorbeugen könnten. Gerade am Beispiel der Inselstaaten, die von einem steigenden Meeresspiegel bedroht sind, lässt sich das veranschaulichen. Soll man Geld sammeln, um die Menschen dort zu evakuieren, wo Dämme keinen Sinn machen?

Die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) hat jedenfalls schon zu Beginn der Konferenz klargestellt, dass es ihre moralische und ethische Pflicht gegenüber ihren eigenen Bevölkerungen sei, alle Entscheidungen abzulehnen, die nicht das Überleben ihrer Nationen garantierten.

"Poker mit dem Leben von Millionen Menschen"

"Man darf nicht resignieren", forderte der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer im Deutschlandradio Kultur - obwohl auch er von der Konferenz in Durban keine konkreten Ergebnisse erwarte. Hoffnung setzt Töpfer in die Weiterentwicklung alternativer Energien in den Industrieländern. Würden diese vorführen, dass man mit weniger fossilen Energien und ohne Kernenergie wirtschaftliche Stabilität erhalten kann, würden vielleicht auch die Entwicklungsländer umsteigen.

Das aber dauert Umweltschützern und Hilfsorganisationen zu lange. Die Menschen in Entwicklungsländern, die schon heute die Auswirkungen des Klimawandels spürten, könnten nicht länger warten, erklärt Karin Kortmann, stellvertretende Generalsekretärin der Organisation Care Deutschland-Luxemburg. Die Regierungschefs von Ländern mit hohen Emissionen könnten nicht weiterhin das Leben der Menschen aufs Spiel setzen und einen Klimadeal Jahr für Jahr aufschieben. "Was sich nach dem Ringen um Worte in Verhandlungstexten anhört, ist in Wahrheit nichts anderes als ein Poker mit dem Leben von Millionen Menschen."

Auch Caritas international drängt auf einen schnellen Klimaschutz und auf eine Ausweitung der Katastrophenvorsorge in den von Wetterextremen besonders betroffenen Regionen. Schließlich seien die gravierenden Auswirkungen der Erderwärmung nicht mehr zu leugnen, wie Oliver Müller, Leiter des Hilfswerks der deutschen Caritas, sagt. Sie zeigen sich etwa in der langen Liste der Staaten und Regionen, in denen das Katastrophenhilfswerk allein in diesem Jahr tätig werden musste.

Dabei seien die Überflutungen in Bangladesch, Indien, Pakistan, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Thailand und Kambodscha, die Dürren in Somalia, Äthiopien, Kenia und dem westafrikanischen Sahel, die Taifune in Japan, den Philippinen und Vietnam und die Hurrikane in der Karibik nur jener Teil der klimabedingten Katastrophen, über die in den internationalen Medien berichtet wurde. Die "vergessenen Katastrophen", wie Hilfswerke die weniger beachteten Ereignisse nennen, sind dabei noch gar nicht erwähnt.

Dass die Folgen des Klimawandels in vielen Ländern längst Alltag sind, bestätigt Michael Kühn von der Welthungerhilfe: Mehr und schlimmere Dürren, Überflutungen und Stürme. Und stets müssten die ärmsten Menschen am meisten darunter leiden, weil sie sich am wenigsten schützen und anpassen können, kritisiert Kühn.

"Der internationale Klimaschutz darf nicht in die Zeiten der Unverbindlichkeit zurückfallen", fordert deshalb Regine Günther vom WWF Deutschland. "Das Kyoto-Protokoll muss erhalten bleiben und es muss die Basis für ein umfassendes verpflichtendes Nachfolgeabkommen gelegt werden."

Was bleibt also? Das Prinzip Hoffnung.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: