Umwelt:A49-Weiterbau umstritten: Aktivisten blockieren Baumaschine

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Die A49-Baustelle aus der Luft. (Foto: Nadine Weigel/dpa)

Im kommenden Jahr sollen die Arbeiten am umstrittenen Lückenschluss der A49 in Mittelhessen bereits abgeschlossen werden - doch das Projekt sorgt weiter für Diskussionsstoff und Protest.

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Gießen/Homberg/Ohm (dpa/lhe) - Gut zwei Jahre nach Baubeginn für den Lückenschluss der Autobahn 49 in Mittelhessen schwelt der Konflikt um das Projekt weiter. Mit einer Protestaktion an einer A49-Baustelle nahe dem nordhessischen Schwalmstadt demonstrierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace am Mittwoch gegen dieses und andere Autobahnprojekte in Deutschland. Nach Greenpeace-Angaben beteiligten sich 33 Aktivistinnen und Aktivisten. Vor einer Baumaschine errichteten sie ein meterhohes gelbes X als Zeichen „gegen weitere klimaschädliche Autobahnen“.

Nach Polizeiangaben ketteten sich Aktivisten auch an die Baumaschine, einige befestigten ihre Hände in Röhren und weigerten sich nach Angaben eines Polizeisprechers über Stunden, die Maschine freizugeben. Die Beamten schnitten daher die Metallröhren auf, um die Personen voneinander zu lösen. Verletzt wurde nach Polizeiangaben dabei niemand. Sie seien vorläufig festgenommen worden, um ihre Identitäten festzustellen. Gegen sie bestehe der Anfangsverdacht der Nötigung, sagte der Polizeisprecher.

„Jeder zusätzliche Kilometer Autobahn zerstört wertvolle Natur und führt uns weiter weg von einer klimaverträglichen Mobilität“, erklärte Lena Donat, Greenpeace-Mobilitätsexpertin. „Wir brauchen eine Verkehrsplanung, bei der Natur und Klima nicht länger unter die Räder kommen.“ Statt „immer mehr Betonpisten“ sei ein konsequenter Ausbau der Bahn nötig.

Weiter südlich an der künftigen Trasse hatten Autobahngegner - darunter der Vorsitzende der Linksfraktion im hessischen Landtag, Jan Schalauske, sowie die bisherige Grünen-Kommunalpolitikerin Barbara Schlemmer aus Homberg/Ohm - zuvor unter anderem weitere Funde sogenannter polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie die „Verunreinigung von Flüssen und Bächen“ durch Baustellenwasser beklagt. Einige PAK sind in hohen Konzentrationen gesundheitsschädlich und werden als krebserregend eingestuft. Die Autobahngegner forderten einen umgehenden und umfassenden Baustopp.

Dafür sieht das Regierungspräsidium Gießen als obere Genehmigungsbehörde jedoch nach eigenen Angaben derzeit keinen Anlass. Bereits Anfang Mai hatte das RP Gießen nach dem „vereinzelten“ Nachweis von PAK-haltigem Material in einem Damm entlang der A49-Baustelle nahe Stadtallendorf (Landkreis Marburg-Biedenkopf) einen Teil-Baustopp für diesen Damm verhängt, der weiter gelte. Die anderen Arbeiten an dem Lückenschluss laufen weiter. PAK sind laut RP häufig in alten Straßendecken enthalten.

Durch den Teil-Baustopp werde sichergestellt, „dass keine Maßnahmen erfolgen, die die Feststellung des Sachverhalts behindern können (z. B. durch Überbauung oder weitere Aufschüttung von Erdmaterial)“, so die Behörde. Nach vereinzelten Funden auffälliger und teils PAK-haltiger Bruchstücke seien bei weiteren Überprüfungen mit Hilfe eines Baggers „keine weiteren Auffälligkeiten festgestellt“ worden. Dennoch habe man vorsorglich Untersuchungen des Erdmaterials im Damm angeordnet. „Derzeit liegen hierzu noch keine Ergebnisse vor“, hieß es.

Die A49 soll nach der Fertigstellung des Lückenschlusses Kassel und Gießen direkter miteinander verbinden. Im Bau sind die Teilstrecken von Schwalmstadt über die Anschlussstelle Stadtallendorf-Nord bis zum künftigen Ohmtal-Dreieck, im November 2024 soll die Strecke von Fritzlar bis zum Ohmtal-Dreieck durchgehend befahrbar sein. Gegen die Rodungen für den Weiterbau der Autobahn im Dannenröder Forst und umliegenden Waldstücken hatte es im Herbst 2020 heftige Proteste von Umweltschützern gegeben.

Schlemmer, die als Kandidatin auf die Liste der hessischen Linken für die Landtagswahl im Oktober gewählt worden war, sieht im Dannenröder Wald zudem Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrechtslinie missachtet. Dort fließe Bauwasser „mit allem Dreck der Trasse“ bei Regen ungefiltert in den Fluss Gleen, erklärte sie. Ob es zu einer Verschlechterung der Wasserqualität des Flusses komme, werde „offensichtlich nicht von den Behörden überprüft“. Man fordere daher die sofortige Einrichtung von Messstellen und die regelmäßige Überprüfung der Wasserqualität.

Das RP Gießen hingegen sieht die Gewässerschutzvorgaben bisher „grundsätzlich“ eingehalten und verweist auch auf regelmäßige Kontrollen, etwa in Form von Baustellenbegehungen. Schädliche Auswirkungen auf das Grundwasser oder die Trinkwassergewinnung „konnten bislang jedenfalls nicht festgestellt werden“, so die Behörde.

Untersuchungen von Wasserproben aus Oberflächengewässern erfolgten nur anlassbezogen. Dies sei bei der Gleen bisher nicht erforderlich gewesen - die Einrichtung von Messstellen sei laut Planfeststellung nicht vorgesehen „und wird aus fachlicher Sicht als nicht notwendig erachtet“. Es gebe unangekündigte Baustellenüberwachungen. Temporäre Sedimenteintragungen seien vereinzelt festgestellt worden. „In solchen Fällen wird die Bau-Arbeitsgemeinschaft umgehend durch die Fachbehörde aufgefordert, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Umsetzung wird regelmäßig durch die Fachbehörde kontrolliert.“

Auch die Autobahn GmbH verwies auf ein mit dem RP Gießen abgestimmtes und genehmigtes Entwässerungskonzept für den A49-Bau. „Es werden generell keine Direkteinleitungen vorgenommen - auch nicht in den konkret genannten Fällen.“ Ebenso werde das Gewässer-Monitoring gemäß der Planfeststellung und im Rahmen eines mit dem RP und dem Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke (ZMW) genehmigten Konzepts vorgenommen. „Im Rahmen des Monitorings wird die Gewässerqualität kontinuierlich überwacht, die Messwerte werden an die zuständige Behörde übermittelt.“

© dpa-infocom, dpa:230531-99-888003/5

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