Kirtorf:Drei Camps im Dannenröder Forst geräumt

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Polizisten räumen ein großes Baumhaus im Dannenröder Forst. (Foto: Michael Rinde/Michael Rinde/)

Mit den fortschreitenden Rodungen für den Weiterbau der Autobahn 49 in Mittelhessen verschärft sich der Konflikt um den Dannenröder Forst. Mittlerweile hat die...

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Homberg/Ohm (dpa/lhe) - Mit den fortschreitenden Rodungen für den Weiterbau der Autobahn 49 in Mittelhessen verschärft sich der Konflikt um den Dannenröder Forst. Mittlerweile hat die Polizei das dritte von insgesamt elf Baumhaus-Camps geräumt, wie ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am Freitag sagte. Zu einem Zwischenfall kam es gegen Mittag, als Aktivisten ein Räumfahrzeug der Polizei zeitweise blockierten. Damit hätten die Einsatzkräfte ein weiteres Polizeifahrzeug aus dem Wald schleppen wollen, das sich festgefahren hatte. Rund 30 Personen hätten das Räumfahrzeug blockiert, seien teils darauf geklettert und hätten es beschmiert, sagte der Sprecher. Auch ein Wasserwerfer wurde zum Ort des Geschehens gefahren, kam aber nicht zum Einsatz. Später habe sich die Lage wieder beruhigt. Insgesamt sei es ein „aktiver Tag“ gewesen, sagte der Sprecher.

Derweil hat die Projektgesellschaft Deges bereits rund ein Drittel der geplanten Fläche für den Weiterbau der Autobahn 49 roden lassen, wie ein Sprecher sagte. Auch an diesem Wochenende sollen die Arbeiten weitergehen. Insgesamt sollen in dem Waldstück bei Homberg/Ohm im Vogelsbergkreis auf einer Fläche von 27 Hektar Bäume für das Verkehrsprojekt fallen. Um dies zu verhindern, hatten Aktivisten das Waldstück vor mehr als einem Jahr besetzt.

Vertreter der evangelischen Kirche in der Region kritisierten, dass die Rodungsarbeiten auch sonntags nicht pausieren. Er bitte die Verantwortlichen darum, den bevorstehenden Totensonntag (22. November) „in seinem besonderen Charakter zu respektieren und auf Rodungsarbeiten zu verzichten“, sagte der evangelische Propst für Oberhessen, Matthias Schmidt, am Freitag. Das Totengedenken auf dem Friedhof in Homberg-Dannenrod (Vogelsbergkreis) werde durch Maschinenlärm gestört und die Religionsausübung eingeschränkt. Zudem seien alle Beteiligten vor Ort bereits jetzt werktags einer hohen körperlichen und seelischen Belastung ausgesetzt, „die weit über das übliche Maß hinausgeht“, so Schmidt.

Ähnlich äußerte sich der Propst des Sprengels Marburg, Helmut Wöllenstein: „Es ist mehr als betrüblich, dass ausgerechnet der besonders geschützte Volkstrauertag am vergangenen Wochenende zu einem Tag der weiteren Verhärtung der Fronten geworden ist“, sagte Wöllenstein. „Das entspricht nicht dem Geist dieses Tages.“ Am Totensonntag dürfe dies nicht noch einmal passieren.

Auch in Wiesbaden gab es am Freitag Proteste gegen die Rodungen im Dannenröder Forst: Aktivisten der Umweltorganisation Robin Wood besetzten zwei Bäume vor der Geschäftsstelle der Grünen in der hessischen Landeshauptstadt. Auf einem Banner stand: „Grüne packt die Kettensäge ein!“ Insgesamt nahmen fünf Personen an dem Protest teil.

Man wolle sich mit dem Widerstand gegen den Bau der A49 solidarisieren, teilten die Aktivisten mit: „Die Situation im Dannenröder Wald spitzt sich immer weiter zu.“ So sei es bei Polizeieinsätzen gegen protestierende Waldbesetzer bereits mehrfach zu lebensbedrohlichen Situationen und Verletzungen von Aktivisten gekommen. Die Grünen werden in Hessen in Bezug auf die Rodungen von den Umweltschützern kritisiert, weil sie an der Landesregierung beteiligt sind.

Unterstützung für die Aktivisten gab es am Freitag auch in Frankfurt: Unter dem Motto „Danni Bleibt - Rodungsstopp jetzt“ haben etwa 150 Menschen dort in der Innenstadt demonstriert. Zu dem Protest hatte ein Bündnis aufgerufen, dem unter anderem Fridays for Future Frankfurt, Attac und Greenpeace Frankfurt angehören. Die Demonstranten setzten sich auf ihrem Protestzug zum örtlichen CDU-Parteibüro und zur Wahlkampfzentrale von Bündnis 90/Die Grünen für den Erhalt des Dannenröder Waldes und gegen den Bau der A49 ein. Dort luden sie mitgebrachte Tannenbäume ab. Außerdem forderten sie die Freilassung inhaftierter Aktivisten und zogen deshalb vor die Justizvollzugsanstalt Preungesheim.

Seit 10. November ist die Polizei täglich mit Hundertschaften im Dannenröder Forst im Einsatz, um dort die Räumungs- und Rodungsarbeiten abzusichern. Zuvor hatte es auch Rodungen im Herrenwald bei Stadtallendorf (Kreis Marburg-Biedenkopf) sowie im Maulbacher Wald nahe Homberg/Ohm für das Verkehrsprojekt gegeben. Dabei kam es immer wieder zu Zwischenfällen, unter anderem wurden Beamte mit Pyrotechnik oder Zwillen beschossen und mit Exkrementen beworfen.

Die Aktivisten wiederum warfen den Einsatzkräften wiederholt vor, bei den Räumungen Menschenleben zu gefährden - vor allem, nachdem am vergangenen Sonntag eine Aktivistin von einem hochbeinigen Gestell gestürzt war. Verantwortlich dafür soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft Gießen ein Polizist sein, der zuvor ein Seil durchtrennt habe, das mit dem Gestell verbunden gewesen sei. Die Verbindung soll für den Beamten nicht erkennbar gewesen sein. Gegen ihn wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung im Amt ermittelt. Den Ermittlern zufolge gibt es keine Hinweise auf ein vorsätzliches Handeln.

Die A49 soll nach dem Lückenschluss Kassel und Gießen direkter miteinander verbinden. Umwelt- und Klimaschützer halten den Dannenröder Forst seit mehr als einem Jahr besetzt, um die Rodungen zu verhindern oder aufzuhalten. Während die Aktivisten das Projekt angesichts der Klima-Krise für verfehlt halten, versprechen sich die Befürworter davon weniger Verkehrsbelastung und Lärm in den Dörfern der Region sowie eine bessere Straßenanbindung.

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