Kiel:Heikles Thema: Jamaika und das Öl im Wattenmeer

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Der Antrag des Ölkonzerns Wintershall Dea für eine zusätzliche Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer hat ein altes Streitthema neu entfacht. Während...

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Kiel/Büsum (dpa/lno) - Der Antrag des Ölkonzerns Wintershall Dea für eine zusätzliche Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer hat ein altes Streitthema neu entfacht. Während Umweltschützer in Schleswig-Holstein gegen eine zusätzliche Ölförderung lautstark protestieren, versuchen CDU, Grüne und FDP in der Jamaika-Koalition ihre politischen Differenzen auszuklammern. Entschieden werde am Ende nach Recht und Gesetz, betonten die Partner einmütig. Zuständig sei das Bergamt in Clausthal-Zellerfeld (Niedersachsen).

Wintershall Dea sieht durch weitere Bohrungen keine Umweltrisiken. „Es sind keinerlei Auswirkungen auf Nationalpark und Weltnaturerbe zu erwarten“, sagte Konzernsprecher Derek Mösche in Hamburg. Denn die unterirdische Erschließung in 2000 bis 3000 Metern erfolge komplett von der künstlichen Bohr- und Förderinsel Mittelplate vor Büsum, von der seit 32 Jahren störungsfrei Öl gefördert werde. Mittelplate hat laut Dea noch um die 17,8 Millionen Tonnen Ölreserven (Stand Ende 2018), das sind mehr als 60 Prozent der deutschen Gesamtreserven.

Es gehe bei dem neuen Antrag nur darum, bekannte Reserven im südlichen Zipfel der nachgewiesenen Lagerstätte zu erschließen, sagte Mösche. Dieser Zipfel liege knapp außerhalb der Fläche, für die bis 2041 eine Bewilligung bestehe. Mittelplate sei international anerkannt als Musterbeispiel für eine umweltgerechte Ölförderung.

Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) bleibt bei seiner Ablehnung. Er habe starke Zweifel, dass eine Genehmigung mit dem Nationalparkgesetz vereinbar sei, sagte Albrecht der Deutschen Presse-Agentur. Auf einem Landesparteitag der Grünen in Büsum bekräftigte er sein Nein am Samstag: Er lehne mehr Förderung als bislang ab.

In Sichtweite der nur 15 Kilometer vom Tagungsort entfernten Mittelplate forderten die Grünen einen stärkeren Schutz des Wattenmeeres. Albrecht nannte es „eines der wichtigsten Weltnaturerben, die wir als Menschheit haben“. Dies stehe auf einer Ebene mit dem australischen Great Barrier Reef oder dem Grand Canyon in den USA. „Das Wattenmeer vor unserer Haustür droht unterzugehen, denn der steigende Meeresspiegel ist real.“

Für Albrecht steht fest, dass das Nationalparkgesetz die Förderung auf Mittelplate beschränke und keine Erweiterung vorsehe. „Klar ist, dass nach Recht und Gesetz entschieden werden muss und wird. Ich persönlich aber lehne jede neue Förderung von Öl im Watt ab und halte eine Genehmigung des Antrags nach einer ersten Sichtung für unvereinbar mit dem geltenden Recht.“ Ähnlich äußerte sich die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Marlies Fritzen: „Dies ist jedoch keine politische Frage und auch kein Anlass für einen koalitionsinternen Streit.“

CDU-Landtagsfraktionschef Tobias Koch betonte, über den Antrag „wird nicht politisch entschieden“. Hierfür gelte ein klar definiertes rechtsstaatliches Verfahren in Zuständigkeit des Bergamtes. „Auch im Falle einer Genehmigung des Antrages wüsste ich deshalb nicht, wie sich daraus eine Belastung für die Koalition ergeben sollte.“ Die Jamaika-Partner respektierten unterschiedliche Auffassungen, was „in der bislang äußert erfolgreichen und konfliktfreien Zusammenarbeit“ zum Ausdruck komme.

Die FDP setzt stärker auf wirtschaftliche Aspekte. „Der Schutz des Nationalparks ist uns sehr wichtig, aber die Ölförderung an der Mittelplate hat eben auch eine hohe wirtschaftliche Bedeutung und macht uns unabhängiger vom Import aus Staaten, in denen Umweltschutz und Menschenrechte leider keinen hohen Stellenwert haben“, sagte Fraktionschef Christopher Vogt. Das Bergamt werde „eine sinnvolle Entscheidung nach Recht und Gesetz treffen“. Allerdings: „Eine Förderung von vornherein aus ideologischen Gründen abzulehnen, würde ich für unverantwortlich halten.“ Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) verwies zudem darauf, dass im Koalitionsvertrag Mittelplate „Bestandsschutz“ genieße.

Scharfe Kritik kommt vom Umweltverband Schutzstation Wattenmeer. „Mehr Ölförderung und auch noch in einem überflutungsgefährdeten Lebensraum. Zynischer geht's angesichts der Klimakatastrophe nicht“, sagte Naturschutzreferentin Katharina Weinberg. Dea versuche, Ölvorkommen südlich von Mittelplate durch horizontale Bohrungen auszubeuten. Dies sei nicht der erste Antrag. Seit 2007 seien mehrere Anläufe gescheitert, die Ölförderung auszuweiten. Zuletzt stoppte das Umweltministerium im Jahr 2017 geplante Explorations-Bohrungen.

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