Paläontologie:Wie Tyrannosaurus das Jagen lernte

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Ein junger Gorgosaurus frisst ein kleines Beutetier. (Foto: Julius Csotonyi, Royal Tyrrell Museum of Palaeontology)

Der versteinerte Mageninhalt eines jungen Raubsauriers zeigt: Selbst die Schrecken der Urzeit mussten einmal ganz klein anfangen. Und sie waren wählerisch.

Von Jakob Wetzel

Die Tiere gelten als die Schrecken der Kreidezeit. Der Tyrannosaurus rex konnte bis zu zwölf Meter lang und sechs Tonnen schwer werden. Fossilien zeigen, dass der Räuber selbst riesige Beutetiere anging, sein Biss zertrümmerte Knochen. Vermutlich konnte sich kein Tier der späten Kreidezeit wirklich vor ihm sicher fühlen. Doch Forscher um den kanadischen Paläo-Ökologen François Therrien vom Royal Tyrrell Museum of Paleontology in Drumheller bei Calgary und die Paläontologin Darla Zelenitsky von der University of Calgary zeigen nun: Auch Raubsaurier wie dieser Gigant haben einmal ganz klein angefangen.

Wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift Science Advances berichten, haben sie den versteinerten Mageninhalt eines jungen Gorgosaurus libratus untersucht, dessen Überreste in der "Dinosaur Provincial Park"-Formation in Alberta gefunden wurden. Der Gorgosaurus gehört wie der T. Rex zur Familie der Tyrannosauriden: Er lebte mehrere Millionen Jahre früher und war kleiner, die Erkenntnisse seien jedoch übertragbar, heißt es. Das untersuchte Tier starb vor etwa 75,3 Millionen Jahren im Alter von etwa sechs Jahren. Sein Lebendgewicht schätzen die Forscher auf 335 Kilogramm. Ein ausgewachsener Gorgosaurus konnte wohl mehr als zwei Tonnen wiegen.

Im Bauch dieses also noch relativ kleinen Jungtiers fanden die Forscher die Hinterbeine von zwei noch deutlich kleineren Dinosauriern der Art Citipes elegans. Das sind zweibeinige Saurier gewesen, die sich vermutlich von Pflanzen ernährten. Den Knochen zufolge wogen die zwei Tiere lebend wohl jeweils zwischen neun und zwölf Kilogramm. Es seien also derart kleine Tiere gewesen, dass sich ein ausgewachsener Gorgosaurus mangels Nährwert kaum mit ihnen aufgehalten hätte, urteilen die Forscher um Therrien. Und das wiederum erlaube Rückschlüsse darauf, wie die Raubsaurier einst das Jagen lernten. Die Vorstellung, dass junge Tyrannosauride im Rudel mit ausgewachsenen Tieren auf Beutefang gingen und gemeinsam fraßen, sei offenbar verkehrt, denn sonst wären im Magen des Jungtiers eher die Knochen größerer Beutetiere gelandet. Stattdessen jagten die jungen Raubsaurier wohl allein - und ernährten sich zunächst von den Tieren, denen sie bereits gewachsen waren.

Darla Zelenitsky (links) und François Therrien (rechts) im Größenvergleich mit dem Fossil des Gorgosaurus. (Foto: Royal Tyrrell Museum of Palaeontology)

Falls das stimmt, gingen die Nachwuchsräuber mit dieser Strategie nicht nur den größeren und teils gefährlichen Pflanzenfressern aus dem Weg, sondern kamen auch ihren ausgewachsenen Artgenossen nicht in die Quere. Die Tyrannosauriden hätten sich im Laufe ihres Lebens von mittleren zu Spitzenräubern entwickelt, schreiben die Forscher. Entsprechend veränderte sich ihr Skelett: Der Schädel wurde größer und robuster, die Zähne wurden massiver, das ganze Tier wuchs auf ein Vielfaches seiner Größe an. Der Gorgosaurus etwa hätte sich wohl ab einem Alter von etwa elf Jahren und einem Körpergewicht von etwa 600 Kilogramm auch an große Pflanzenfresser herangewagt, meinen die Forscher. Auf diese Weise hätten die Tiere mit der Zeit unterschiedliche ökologische Nischen besetzt. Womöglich sei das ein Geheimnis ihres Erfolgs.

Und noch etwas verrät der Mageninhalt des jungen Gorgosaurus: Die Tiere waren offenbar wählerisch. Das untersuchte Exemplar zumindest hatte nicht die ganzen Tiere verschlungen, sondern seine Beute zerrissen und lediglich die mutmaßlich besonders fleischhaltigen Hinterbeine gefressen. Und die beiden Beutetiere waren weniger als ein Jahr alt. Womöglich hatte es der junge Tyrannosauride also gezielt auf Jungtiere abgesehen. Das ist ein Verhalten, dass sich auch bei heutigen Raubtieren beobachten lässt.

Gut bekommen ist dem Gorgosaurus seine Beute aber offenbar nicht. Weil die Knochen der gefressenen Tiere kaum von Magensäure verätzt wurden, vermuten die Forscher, dass er kurz nach seiner Mahlzeit verendet ist.

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