Bildung:Ich bin ja nur fleißig

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Wer macht Karriere? Wieder einmal zeigt sich, dass die Herkunft eine wichtige Rolle spielt. (Foto: IMAGO/Maskot)

Was zählt, um voranzukommen? Eine Studie deutet an: Bildungsaufsteiger glauben seltener an ihr Talent - selbst wenn sie genauso gut sind wie ihre Kommilitonen.

Von Bernd Kramer

Als freizeitorientierter Schüler erkennt man früh, dass sich Talent und Fleiß strategisch gegeneinander ausspielen lassen. Da schimpft die Lehrerin, man möge die Nachmittage doch nicht immer nur mit der Clique verbringen, sondern auch mal mit den Hausaufgaben. Wie entzieht man sich diesen wahrscheinlich berechtigten Vorhaltungen? Man verweist auf mangelndes Talent - da wäre alles Lernen eh vergeblich: Mathe und ich, wir wollen leider einfach nicht zueinanderfinden.

Umgekehrt ist es ähnlich: Wo man zum großen Erstaunen plötzlich reüssiert, ist man gut beraten, Anstrengungen schnell unter den Teppich zu kehren, um fortan als Naturtalent zu erscheinen, bisher verkannt, nun endlich entdeckt. Die Bewunderung für den Begabten fällt schließlich stets eine Spur reiner aus. In einer modernen Leistungsgesellschaft stehen Fleiß und Talent jedenfalls in einem spannungsreichen Verhältnis.

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Eine Studie, die dieser Tage im renommierten Journal of Experimental Social Psychology erscheint und der SZ vorab vorlag, zeigt nun, wie sehr diese Unterscheidung auch soziale Ungleichheiten zementieren kann. Die Autorinnen um die Sozialpsychologin Christina Bauer von der Universität Wien wollten wissen, warum Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien sich an den Hochschulen oft schwertun, und ließen Hunderte Studierende einen Online-Fragebogen ausfüllen. Erstakademiker stellten demnach häufiger ihr Talent infrage als Akademikerkinder - selbst bei gleichen Noten. Sie führten Misserfolge an der Uni eher als ihre Kommilitonen aus Akademikerfamilien auf mangelnde Begabung zurück: Ich konnte es einfach nicht besser. Das Selbstbild als talentiert hängt also von der sozialen Herkunft ab, wohingegen sich keine Unterschiede zwischen Akademikerkindern und Bildungsaufsteigern finden, was die Einschätzung des eigenen Fleißes angeht. Fleiß reklamieren beide für sich, und für den Aufsteiger war er schon immer die Rückversicherung - was Altetablierte dann gern als Bemühtheit schmähen. Der Philosoph Max Scheler attestierte den Strebern 1912, ihnen fehle die Vornehmheit, nach dem Motto: Verbissen rein hängt sich nur, wer von der Natur nicht mit genug Begabung gesegnet ist.

"Talentdenken kann Leute zurückhalten", sagt Bauer. Man wählt lieber die angeblichen Lernfächer und meidet die, in denen vermeintlich vor allem Genialität zählt. Das deutete sich an, als Bauer und ihre Kolleginnen einem Teil der Befragten die Beschreibung eines fiktiven Studiengangs vorlegten. In dem einen Fall lasen die Probanden, dass Professoren den idealen Studierenden ihres Faches als begabt, klug, intelligent und talentiert beschrieben - was gerade auf Bildungsaufsteiger abschreckend wirkte. In einer anderen Variante wurde der Traumkandidat als engagiert, motiviert, arbeitsam, fleißig charakterisiert - was Nicht-Akademiker-Kinder sogleich als einladender empfanden. Studienautorin Bauer folgert daraus: "Es kann die Gesellschaft durchlässiger machen, wenn wir stärker die Anstrengung betonen und weniger Talent." Es ist ja schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. Und auch die vermeintlichen Genies purzeln in der Regel ebenfalls nicht einfach so aus den Wolken.

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