Stammzellenforschung:Geklont mit 75 Jahren

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Vor einem Jahr war das Klonen menschlicher Stammzellen noch eine Sensation, heute hält sich die Aufregung in Grenzen. Dabei ist es Forschern erstmals gelungen, aus dem Erbgut erwachsener Männer Embryonen zu klonen und aus diesen Stammzellen zu gewinnen.

Von Christina Berndt

Menschliche Embryonen geklont! Die Welt scheint sich langsam an diese Nachricht zu gewöhnen. Am Donnerstagabend erregte es kaum noch Aufsehen, als ein Team südkoreanischer und US-amerikanischer Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Cell Stem Cell einen weiteren Klon-Erfolg verkündete: Die Forscher haben erstmals aus dem Erbgut erwachsener Männer Embryonen geklont und aus diesen Stammzellen gewonnen. Einer der Männer war 35 Jahre alt, der andere schon 75. "Es scheint mit jedem Alter zu klappen!", verkündeten die Forscher stolz.

Dazu hatte das Team um Young Gie Chung, Dong Ryul Lee und Robert Lanza den Männern Hautzellen entnommen und deren Zellkerne in weibliche Eizellen verpflanzt, denen sie zuvor die eigenen Zellkerne entnommen hatten. Sie haben die Eizellen also quasi mit den Zellkernen "befruchtet", sodass Embryonen daraus entstanden. Da die Zellkerne fast das gesamte Erbgut der Zelle enthalten, trugen die so entstandenen Embryonen das Erbgut des Mannes, dessen Hautzelle zu ihrer Herstellung verwendet worden war. Genetisch betrachtet, waren sie seine Klone - auch wenn die Wissenschaftler sie nicht zu ganzen Menschen heranwachsen ließen, sondern die enthaltenen embryonalen Stammzellen herauslösten.

Ähnliches Experiment mit Hautzellen von Kindern

Eine Klon-Nachricht verursachte erst im vergangenen Mai große Aufregung und einige ethische Debatten. Denn damals hatten Wissenschaftler um Shoukhrat Mitalipov aus Oregon ein ganz ähnliches Experiment vorgestellt. Nur hatten sie statt der Hautzellen von Erwachsenen die von Kindern verwendet. Dies gilt als leichter, weil die Zellen von Kindern als erheblich wandelbarer gelten.

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Ein geklonter Embryo, gewonnen aus einer Hautzelle, hergestellt in einem amerikanischen Labor. Die Wissenschaft feiert einen Fortschritt, der Ängste wie Hoffnungen weckt. Für Kritiker sind die Experimente Teufelswerk. Denn die Forscher haben der Welt das Rezept geliefert, auf dessen Basis eines Tages nicht nur Embryonen, sondern ganze Babys geklont werden könnten.

Von Christina Berndt

Krankheiten wie Parkinson und Herzinfarkt, die womöglich eines Tages durch Zellersatz behandelbar sind, treffen aber gemeinhin Erwachsene. Deshalb lag es auf der Hand, die Versuche mit Zellen von Erwachsenen zu wiederholen. "Mit Erwachsenen sind solche Experimente erheblich schwieriger", sagt der Stammzellforscher James Adjaye von der Universität Düsseldorf. "Deshalb ist die Arbeit aus Korea, technisch betrachtet, ein großer Erfolg."

Der Stammzellforscher Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster findet den Fortschritt im Vergleich zu der Arbeit mit den Zellen von Kindern nicht so groß: "Nun gut, nun wissen wir, dass der Kerntransfer selbst mit den Kernen von 75 Jahre alten Männern geht", sagt er.

Schöler hätte in der Arbeit gerne noch ein paar Experimente gesehen, die die Wandlungsfähigkeit der gewonnenen Zellen besser belegen. Denn nur wenn aus diesen verschiedene Gewebe des Körpers gezüchtet werden können, lassen sie sich auch zu medizinischen Zwecken einsetzen.

Eben das ist die Hoffnung von Wissenschaftlern, die mit solchen Klon-Experimenten arbeiten: Sie möchten mit den gewonnenen Stammzellen Krankheiten heilen. So könnten sie individuellen Zellersatz für die jeweiligen Spender der Hautzellen herstellen, der diesen genetisch so ähnlich ist, dass sie ihn anders als ein Transplantat von fremden Menschen nicht abstoßen.

Zahlreiche ethische Probleme

Allerdings bringen die Klon-Versuche zahlreiche ethische Probleme mit sich. Zum einen könnte womöglich doch eines Tages jemand auf diese Weise ein Baby herstellen. Zum anderen werden menschliche Embryonen durch die Entnahme der Stammzellen zerstört. Und zum dritten wegen der Herkunft der Eizellen. Immerhin stammen diese von Frauen, die solche Zellen nur nach Hormonbehandlungen spenden können.

In Südkorea genießt die Forschung trotz allem hohes Ansehen - und obwohl der von dort stammende Stammzellforscher Hwang Woo-Suk die Welt zum Narren hielt, als er schon im Jahr 2004 Klon-Erfolge mit menschlichen Embryonen verkündete, die sich später als Fälschung herausstellten. Dennoch gibt es bis heute zahlreiche freiwillige Spenderinnen in dem Land, dessen Regierung die jetzt vorgestellte Arbeit finanziell unterstützt hat.

Forschung an Alternativen zu den Klon-Zellen

In anderen Ländern wird stärker an Alternativen zu den Klon-Zellen geforscht. So lassen sich Körperzellen auch durch Zugabe von chemischen Faktoren in sogenannte iPS-Zellen umwandeln, die embryonalen Stammzellen ähneln und ebenfalls als individueller Gewebeersatz taugen könnten. "Eines muss man allerdings einräumen", sagt James Adjaye. "Die Zellen aus den Klonen sind von ihrem Potenzial sicherlich am nächsten dran an echten embryonalen Stammzellen."

Abgesehen von den ethischen Problemen ist es technisch allerdings nicht so einfach, menschliche Zellen zu klonen. Jahrelang haben Forscher in aller Welt dies vergeblich versucht. Auch Mitalipovs Team, das im vergangenen Mai erstmals menschliche Embryonen klonte, war dies bisher eben nur mit Zellen von Kindern gelungen. Und in der jetzt vorgestellten Arbeit? Da haben die Forscher um Chung, Lee und Lanza ganze 39 Versuche gebraucht, um am Ende nur zweimal erfolgreich zu sein.

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