Schweinegrippe-Prävention:"Nicht jeder kann geimpft werden"

Lesezeit: 2 min

Gesundheitsminister Rösler kündigt weitere Impfstoffdosen an - und mahnt zu Geduld. Der Kinderärzteverband übt derweil harsche Kritik an der Impfstrategie des Bundes.

Angesichts der ansteigenden Zahlen von Schweinegrippe-Erkrankungen haben Bund und Länder heute über Probleme bei der Impfstoffauslieferung und ihre Impfstrategien beraten.

Gesundheitsminister Philipp Rösler mahnt zu Geduld. (Foto: Foto: dpa)

Wie Bundesminister Philipp Rösler (FDP) in Berlin sagte, sollen bis Ende des Jahres 20 Millionen Dosen des Impfstoffs Pandemrix ausgeliefert werden. Das habe der Hersteller GlaxoSmithKline den Gesundheitsministern von Bund und Ländern zugesichert.

"Diese Zahlen machen schon deutlich, dass nicht jeder geimpft werden kann", räumte Rösler zugleich ein. "Wichtig ist, dass jetzt nicht jeder sofort zu den Impfstellen rennt." Maßgeblich seien die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, sagte Rösler.

"Man muss nicht unbedingt morgen geimpft werden", erläuterte die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD). Zunächst würden demnach Sicherheits- und Gesundheitspersonal wie Feuerwehrleute und Ärzte geimpft. Dann folgten Menschen mit chronischen Krankheiten.

Im Dezember sollten zusätzlich 150.000 Impfdosen ohne Wirkungsverstärker für Schwangere zur Verfügung stehen, sagte Thüringens Gesundheitsministerin Heike Taubert (SPD). Insgesamt dürfe keine Hysterie aufkommen, mahnte Taubert. Im Januar und Februar solle beim Impfstoff nochmals nachgelegt werden.

Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, kritisierte derweil die Impfstrategie der Bundesregierung. Kinder müssten genauso wie Feuerwehrleute oder Gesundheitspersonal vorrangig gegen die Schweinegrippe geimpft werden, sagte er der Leipziger Volkszeitung.

Hartmann forderte, Kinder gemeinsam mit "systemrelevanten Gruppen" wie Sicherheitskräften vorzuziehen. Kinder besuchten fast alle Gemeinschaftseinrichtungen. "Die Impfstrategie der Bundesregierung ist medizinisch unzureichend, weil die Infektionen bevorzugt von Kindern ausgehen", erklärte er.

Mängel bei der Kleinkinderbehandlung

Der Verbandschef bemängelte auch fehlende Behandlungsmöglichkeiten für an Schweinegrippe erkrankte Kleinkinder. "Es gibt für Kleinkinder keine Dosierungserfahrungen mit Tamiflu. Das ist ein Versäumnis der Behörden, die Bedürfnisse der Kinder wurden völlig außer Acht gelassen", sagte er. Nicht zuletzt deshalb empfehle der Verband die Impfung von Kindern unter drei Jahren. Prophylaxe sei der beste Schutz.

Das Aachener Klinikum gab unterdessen das Obduktionsergebnis der mit dem H1N1-Virus infizierten Frau bekannt, die kurz vor ihrem Tod in Aachen entbunden hat. Die Frau ist an einer Lungenentzündung gestorben.

"Es ist möglich, dass das Virus H1N1 zu der Lungenentzündung geführt hat, es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten", sagte der Intensivmediziner Professor Gernot Marx. Feingewebliche Untersuchungen zur Bestimmung des Erregers stünden noch aus.

Die 33-jährige Schweinegrippe-Kranke war am Dienstag wenige Stunden nach einer Frühgeburt gestorben. Das Kind lebt. Zum Zustand des Kindes machte das Aachener Universitätsklinikum keine Angaben. Experten glauben aber nicht, dass der Säugling infiziert ist.

"Wir gehen nicht davon aus, dass eine direkte Ansteckung von Mutter auf Kind möglich ist", sagte der Gynäkologe Professor Nicolai Maass. Bei den klassischen Grippeviren gebe es keine Übertragung auf das ungeborene Kind. "Wir wissen es aber noch nicht von der Schweinegrippe. Das können wir nicht hundertprozentig sagen", sagte der Leiter der Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Aachener Klinikum.

Er gehe aber davon aus, dass es beim H1N1-Virus ähnlich sei und keine Gefahr bestehe. Das Neugeborene werde "sehr genau beobachtet". Auch eine Ansteckung nach der Geburt sei sehr unwahrscheinlich. "Nach der Geburt genießen die Neugeborenen einen gewissen Nestschutz, so dass das Risiko eigentlich am allergeringsten ist", sagte Maass.

Viele unserer Leser haben uns ihre Erfahrungen und Ansichten zur Schweinegrippe geschildert. Hier können Sie sie lesen und uns schreiben, was Sie davon halten.

© AP/dpa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Schweinegrippe-Impfung
:Tote, Proteste, Mangel

Die meisten Bundesbürger sehen die Impfung gegen die Schweinegrippe mit Skepsis und Verdruss. Ein typisch deutsches Phänomen? Erfahrungen aus anderen Ländern.

Berit Uhlmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: