Schwarze Löcher:Das fabelhafte zweite Bild

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Der Jet - ein Strom heißer Materie - entspringt oben, das Bild zeigt rund drei Lichtjahre. (Foto: J.Y. Kim/MPIfR/EHT-Kollaboration)

Es ist eine große Nachricht, die in diesen Tagen jedoch untergeht: Die zweite Aufnahme eines schwarzen Loches führt Forscher mitten in die Abgründe der Gravitation.

Kommentar von Marlene Weiß

Man kann schon ganz schön Pech haben als Forscher. Da veröffentlicht man ein Bild, das - nüchtern betrachtet - einfach unglaublich ist, fabelhaft, faszinierend, bewusstseinsverändernd. Und dann ist es aber nicht das erste, sondern das zweite seiner Art, und vor allem ist Corona, und so gut wie niemand interessiert sich dafür. Tja.

Das kann man nun leider nicht ändern, Ausnahmezustand ist Ausnahmezustand, Viren gehen vor. Aber hier sei trotzdem festgehalten: Das zweite Bild, welches das Team des Event-Horizon-Teleskops in dieser Woche präsentierte, ist kaum weniger spektakulär als sein Vorgänger, der vor einem Jahr um die Welt ging - die erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs. Nummer zwei sieht mit etwas verschwommenen gelb-roten Formen auf schwarzem Grund ähnlich aus wie Nummer eins. Es zeigt zwar nicht direkt den kosmischen Abgrund, aus dem nicht einmal das Licht entkommen kann. Aber dafür dessen Rand, wo heiße Materie knapp dem Verschlungenwerden entgeht und, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, als "Jet" weit ins All hinausgeschleudert wird. Und das mit einer Wucht, die alle menschliche Vorstellungskraft übersteigt.

Mit dem Event Horizon Telescope öffnete sich wirklich ein neues Fenster zum Universum

Es ist ein Bild, das in jeder Hinsicht an Grenzen geht: Das abgebildete Objekt ist fünf Milliarden Lichtjahre entfernt - rund hunderttausendmal weiter als die Nachbargalaxien der Milchstraße, viel weiter als das erste je fotografierte Schwarze Loch in der Galaxie M87. Es ist schwer, seine Leuchtkraft ist gewaltig, und es ist riesig; der Ursprung des Jets, nur eine Haaresbreite vom Abgrund entfernt, erstreckt sich über mehrere Lichtjahre. Von der Erde zur Sonne sind es acht Lichtminuten.

Vor allem aber zeigt die Aufnahme, dass das virtuelle Radioteleskop-Netzwerk namens Event Horizon Telescope ähnlich wie vor einigen Jahren die Gravitationswellen-Detektoren wirklich ein neues Fenster zum Universum geöffnet hat. Die Abgründe der Gravitation - früher ein reiner Fall für Theoretiker, jeder Beobachtung entzogen - werden nun sichtbar. Und das Teleskop wird immer besser: An der Messrunde im kommenden Jahr beteiligen sich drei weitere Teleskope, möglicherweise könnte irgendwann ein Weltraumteleskop hinzukommen. Es ist ein wissenschaftliches Abenteuer, und es fängt gerade erst an.

© SZ vom 11.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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