Die Sehnsucht nach Unsterblichkeit oder wenigstens einer Verlängerung des Lebens ist wahrscheinlich fast so alt wie die Menschheit selbst. Doch während sagenumwobene Gestalten wie der Alchimist Nicolas Flamel im Mittelalter nach dem Elixier des ewigen Lebens suchten, durchforsten moderne Wissenschaftler das Erbgut langlebiger Menschen und Tiere nach Besonderheiten. Zum Beispiel das der berühmten Pinta-Riesenschildkröte Lonesome George, die 2012 im Alter von 100 Jahren als letzte ihrer Art gestorben ist.
Posthum hat ein Team aus mehr als 30 Wissenschaftlern jetzt das Genom von Lonesome George gemeinsam mit dem Erbgut einer noch lebenden entfernten Verwandten aus der Gattung der Seychellen-Riesenschildkröten sequenziert. Der Vergleich mit den Genen weniger langlebiger Arten ergab einige Unterschiede, die die Forscher in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution mit der Größe und dem langen Leben der beiden Riesenschildkröten in Zusammenhang bringen. Auffällig waren unter anderem Besonderheiten in Genen, die mit der Regulation des Stoffwechsels zu tun haben.
Was haben Riesenschildkröten und Grönlandhaie gemeinsam? Beide werden uralt
Schon länger ist bekannt, dass ein langsamer Stoffwechsel mit einem langen Leben korreliert. Das beste Beispiel dafür ist der Grönlandhai, der sogar bis zu 500 Jahre alt werden kann und damit wahrscheinlich Rekordhalter unter allen Wirbeltieren ist.
Die Tiere leben im eiskalten Wasser des Nordatlantiks, wo Stoffwechselprozesse allein schon wegen der niedrigen Temperaturen extrem langsam ablaufen. Der Hai ist unter Arktisfischern für seine Trägheit bekannt und trägt seinen lateinischen Namen Somniosus microcephalus - der Schläfrige mit dem kleinen Kopf - nicht umsonst. Warum genau ein langsamer Stoffwechsel ein langes Leben fördert, wissen die Forscher noch nicht so genau. Aber auch Lonesome George war ja nicht gerade für hektische Bewegungen bekannt.
Weitere Unterschiede, die den Autoren der aktuellen Untersuchung beim Erbgutvergleich aufgefallen sind, betreffen Gene, die mit der Reparatur von DNA-Schäden, der Immunantwort und der Unterdrückung von Tumoren zu tun haben. Wie genau diese Gene mit der Lebenszeit zusammenhängen, können die Forscher noch nicht erklären. Doch es liegt nahe, dass ein starkes Immunsystem, das Krankheiten erst gar nicht ausbrechen lässt, für ein langes Leben förderlich ist. Bekannt ist außerdem, dass alte Tiere und auch Menschen in der Regel ein höheres Risiko haben, an Krebs zu erkranken als junge.
Bei den Riesenschildkröten tritt Krebs hingegen auch im Alter so gut wie nie auf - wahrscheinlich weil sie einen Weg gefunden haben, das Wachstum von Tumoren effektiv zu unterdrücken. "Wir können von Lonesome George immer noch lernen", sagt Adalgisa Caccone von der Yale University, eine der Studienautorinnen. Möglicherweise auch, was das Geheimnis seines langen Lebens ist.