Pforzheim (dpa) - Als Marilyn Monroe 1953 in einem Film ihre Leidenschaft für Schmuck-Brillis besang, war die Sache noch klar: „Diamonds are a girl's best friend“ - die angeblich „besten Freunde“ der Mädels kamen aus dem tiefsten Inneren der Erde.
Heute sieht die Sache anders aus: Diamanten können inzwischen im Labor in Schmuck-Qualität hergestellt werden, die den Originalen beim Funkeln in nichts nachstehen. Während die Förderung natürlicher Diamanten zurückgeht, boomt der Markt mit Labor-Edelsteinen regelrecht, mit zweistelligen Zuwachsraten im Jahr.
Wertvolle Diamanten werden gerne zur Verlobung als Symbol für ewige Treue verschenkt. Das Versprechen hält ja in vielen Fällen nicht - verliert nun auch der Edelstein seinen Wert? Synthetische Diamanten sind im Schnitt 40 Prozent billiger als die, die aus der Erde kommen.
Einfallstor für Täuschung?
„Synthetische Diamanten - ein Riesenthema für uns“, sagt Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Schmuck und Uhren, der Deutschen Presse-Agentur. „Seit einem Dreivierteljahr wird dieser Markt hier erobert, Anbieter poppen wie Pilze im Herbst aus dem Boden“, sagt er. „Da ist richtig Geld im Markt, und es wird nicht immer mit lauteren Methoden geworben.“
„Die Sorge treibt mich stark um, dass hier Verbrauchertäuschung Tür und Tor geöffnet wird“, sagt der Geschäftsführender des Juweliers Fridrich in München, Stephan Lindner. „Das ist wie bei Perlen: Da gibt es das Naturprodukt, das in einer Auster oder Muschel heranwächst, und die Zuchtperle. Das muss man klar kennzeichnen.“
Ganz entspannt sieht Sigurd Greb die Sache. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens Diamant Agentur in Oberursel, das mit echten und synthetischen Diamanten handelt und Schmuckstücke anfertigt. Die Nachfrage nach synthetischen Diamanten wachse. „Im Labor kann man Farbdiamanten herstellen, die sehr selten vorkommen“, sagt er. „Die wären sonst für Otto Normalverbraucher unerschwinglich.“
Diamanten entstehen über Milliarden Jahre unter immensem Druck und Temperaturen über 1000 Grad im Erdinnern. Sie werden in Bergwerken gefördert. Synthetische Varianten werden zwar seit Jahrzehnten in der Industrie eingesetzt. Aber erst seit ein paar Jahren können sie auch in Schmuckqualität hergestellt werden. Dafür werden in Maschinen Kristalle erzeugt, die sich an Diamantsplitter setzen und diese zu großen Edelsteinen wachsen lassen. Beide Sorten sind nur mit Spezialgeräten zu unterscheiden.
Große Veränderungen am Markt
Die Preise für Rohdiamanten sind - mit Schwankungen - seit 2011 rückläufig. 2019 gingen sie um sieben Prozent, 2020 um elf Prozent zurück, wie die Unternehmensberatung Bain & Company schreibt. Die Förderung ging seit dem Höchststand 2017 von 152 auf 111 Millionen Karat im vergangenen Jahr zurück. Bei Labor-Diamanten habe es dagegen seit 2018 zweistellige Zuwachsraten gegeben, auf sechs bis sieben Millionen Karat im vergangenen Jahr. Größte Produzenten sind China mit rund drei Millionen Karat und die USA mit einer Million Karat.
Ein Problem mit Konkurrenz hätten die Echtschmuckhersteller nicht, beteuert Grohmann. Ihn wurmt aber das Marketing: „Verbrauchern wird suggeriert, dass sie etwas von Wert kaufen.“ Labor-Diamanten seien aber anders als Naturdiamenten unendlich reproduzierbar. „Der Mensch, der sich für einen synthetischen Diamanten entscheidet, geht aus dem Laden und hat einen Stein mit null Wiederverkaufswert.“
So ärgern sich Juweliere, wenn Labor-Diamanten als sozialverträglich, nachhaltig und sauber an Mann und Frau gebracht werden. Ein Beispiel: „Hochwertig, umweltfreundlich, konfliktfrei, preisgünstig“ so wirbt ein Anbieter online. Sie belasteten weder Umwelt noch Natur und seien frei von politischen und ökonomischen Konflikten. Das Diamantenimage wurde auch durch den US-Thriller „Blood Diamond“ (Blutdiamant) von 2006 angekratzt. Darin geht es um das jahrelang große Problem, dass bewaffnete Milizen in Afrika ihre dreckigen Kriege mit der Ausbeutung von Diamantbergwerken finanzieren. Das Problem sei gelöst worden, Diamanten würden mit Herkunftszertifikat gehandelt, sagt Grohmann.
Welche Diamanten sind umweltfreundlicher?
Und was die Umweltverträglichkeit angehe: „Quatsch, wenn man bedenkt, wie viel Energie zur Herstellung synthetischer Diamanten nötig ist.“ Der Verband Natural Diamond Council, dessen sieben Mitglieder nach Verbandsangaben 75 Prozent der Rohdiamantenproduktion vertreten, will herausgefunden haben, dass bei Naturdiamanten pro Karat dreimal weniger Treibhausgas-Emissionen entstehen als bei der Produktion von Labor-Diamanten. Eine unabhängige Analyse gibt es aber nicht.
Auch Sigurd Greb, der Schmuckstücke mit Labor-Diamanten anbietet, sagt: „Man kann einen über Milliarden Jahre gewachsenen Diamanten nicht mit einem Stein vergleichen, der in vier bis acht Wochen im Labor gezüchtet wurde.“ Für beide gebe es Nachfrage. „Es sind einfach komplett andere Produkte“, sagt er.
„Sowohl natürliche als auch im Labor gezüchtete Diamanten haben einen legitimen Platz am Markt“, sagt Stephen Morisseau vom Gemologischen Institut der USA (GIA). Es hat die Kriterien entwickelt, nach denen Edelsteine beurteilt werden: Carat (Gewicht), Color (Farbe), Clarity (Reinheit), Cut (Schliffqualität). Der Ursprung der Diamanten müsse aber offengelegt werden. Das ist im Sinne der Edelschmuck-Industrie, die sich von billiger Konkurrenz abgrenzen möchte.
Juwelier Fridrich in München verkauft synthetische Diamanten nur, wenn Kunden danach fragen, und „vorausgesetzt, ich kann ihnen die Unterschiede klar und deutlich näher bringen“, sagt Lindner. „Wir setzen von der Klientel her auf Tradition und Klassik, und würden nicht für synthetische Diamanten werben.“ Schließlich hafte einem Diamanten, der Milliarden Jahre in der Erde war, etwas Mystisches an.
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