Bei der Wahrnehmung von Bewegungen gibt es offenbar Unterschiede zwischen den Geschlechtern: In einem Test sollten Probanden angeben, ob sich ein Strich auf dem Bildschirm nach rechts oder links bewegte. Männer konnten dies deutlich schneller als Frauen, berichten US-amerikanische Psychologen im Fachmagazin Current Biology.
"Wir waren sehr überrascht", sagt Scott Murray von der Universität Washington in einem Bericht. Sein Team wertete Testergebnisse von insgesamt 263 Personen aus, davon 104 Männer und 159 Frauen. Um die Bewegungsrichtung des Strichs zu bestimmen, brauchten alle Probanden weniger als eine Zehntelsekunde. Doch Männer waren um 25 bis 75 Prozent schneller als Frauen.
Wohin bewegt sich ein Objekt? Das konnten Männer schneller sagen
Durch reinen Zufall stießen die Forscher auf das Phänomen: Sie fanden die Geschlechtsunterschiede zugunsten der Männer zunächst in Tests mit autistischen Personen. Doch bei Betrachtung der Daten in der Kontrollgruppe mit nicht autistischen Probanden fiel auf, dass auch hier Männer Bewegungen schneller wahrnahmen als Frauen. Daraufhin untersuchten Murray und seine Kollegen die Zahlen von Kontrollgruppen weiterer Strich-Bewegungs-Experimente. Sie zeigten das gleiche Ergebnis.
Unklar ist allerdings, was die Ursache für die ungleiche Wahrnehmung ist. Bei Aufnahmen des Gehirns mit bildgebenden Verfahren konnten die Forscher keine Abweichungen zwischen den Geschlechtern sehen: Die verantwortlichen Gehirnbereiche für visuelle Verarbeitung wiesen nahezu identische Aktivitätswerte während des Tests auf. Die Wahrnehmung von Bewegungen unterscheide sich bei Männern und Frauen daher wohl auf eine Art, die aktuell noch nicht darstellbar sei, vermuten die Wissenschaftler. Als mögliche Begründung für die schnellere Bestimmung der Richtung kommen Trainingseffekte durch Videospiele in Frage, die Männer häufiger spielen als Frauen.
Eine schnellere Wahrnehmung von Bewegungen müsse nicht automatisch auch eine bessere sein, sagen die Autoren. In dem beschriebenen Test schnitten in bisherigen Studien neben Autisten auch ältere oder depressive Personen besonders gut ab. Dass die Geschlechter sich bei ihrer Wahrnehmung unterscheiden, ist keine neue Entdeckung: So wurde bereits festgestellt, dass Männer Kontraste schärfer sehen und Farben als bläulicher empfinden. Frauen dagegen können besser hören und nehmen Gerüche und Geschmäcker intensiver wahr.