Zwei Mal stand der Florentiner Hofmathematiker Galileo Galilei vor dem Gericht der Inquisition: 1616 und 1633. Beide Male ging es um das Weltbild des Nikolaus Kopernikus, das die Sonne im Zentrum des Universums sah und die Erde zu einem kreisenden Trabanten machte. Es widersprach der Lehre der katholischen Kirche. Beide Male endete der Prozess damit, dass ein Buch auf den Index der Inquisition gesetzt wurde: erst Kopernikus' "De revolutionibus", dann Galileis "Dialog über die zwei Weltsysteme", verbunden jeweils mit einem Lehr- und Denkverbot.
Galilei war seit langem überzeugt, dass Kopernikus' Ansicht stimme. Aber erst als er mit dem von ihm verbesserten Teleskop astronomische Beobachtungen machte, untermauerte er die These seines Vorläufers mit eigener Forschung. Die Monde des Jupiter und die Sonnenphasen der Venus belegten zwingend, dass Planeten wie die Erde um die Sonne kreisen. Seine Publikationen darüber stießen in Rom auf Widerstand, doch Galileo vertraute auf die Kraft seiner Argumente.
Vergeblich, wie sich zeigen sollte. So erging im Februar 1616 das erste Urteil der Inquisition gegen Galilei. Sie setzte Kopernikus' Buch auf den Index und untersagte Galilei, die Ansicht von der bewegten Erde als Tatsache zu lehren. Der Hofmathematiker, der sich als guter Christ sah, beugte sich zunächst und gelobte Gehorsam. Später aber fühlte er sich vom neuem Papst Urban VIII. ermutigt, die kopernikanische Lehre zumindest als Hypothese weiter zu behandeln.
Daher schrieb er am Ende der 1620er-Jahre den "Dialog über die zwei Weltsysteme". Darin sprechen drei Figuren über die verbotene und die offizielle Lehre. Galileo gibt in der Einleitung vor, beweisen zu wollen, dass Kopernikus Unrecht hatte. Er gibt dann aber im Buch dessen Lehre die stärkeren Argumente und Fürsprecher. Zwei der Figuren, die Galilei nach verstorbenen Schülern benannt hat, treten dafür ein; dagegen argumentiert nur Simplicio, der Einfältige, der teilweise wörtlich Argumente des Papstes vorträgt. Er hält auch das von der Kurie auferlegte Schlussplädoyer für die göttliche Allmacht, aber ein anderer Protagonist bekommt das letzte Wort. Das Buch erschien mit Erlaubnis der Inquisition im Februar 1632, aber schon im Sommer des Jahres wurden Druck und Vertrieb verboten und Galilei nach Rom zitiert. Zur Not sollte der 68-jährige, weltberühmte Wissenschaftler sogar in Ketten vorgeführt werden.
Späte Ehren durch Johannes Paul II
Natürlich ließ sich die Inquisition im Prozess durch Galileis Trick nicht täuschen. Er versuchte es daher mit einem zerknirschten Teilgeständnis und der Bitte, nachbessern zu dürfen. Doch längst tobte innerhalb der Kurie ein Machtkampf, der sachliche Argumente überhaupt nicht mehr zuließ. Daher wurde Galilei am 22. Juni 1633 verurteilt, der Ketzerei verdächtig zu sein sowie gegen das Edikt von 1616 verstoßen zu haben. Er musste widerrufen, dass die Sonne unbeweglich sei und die Erde um sie kreise. Dass er dabei jemals murmelte: "Eppur si muove" (Und sie bewegt sich doch), wie es die Legende schon zu seinen Lebzeiten besagte, ist höchst unwahrscheinlich - Galilei war schließlich gerade so eben mit dem Leben davon gekommen.
Er verbrachte die letzten acht Jahre, alt und krank, unter Hausarrest in seiner Villa bei Florenz. Sein "Dialog", aus Italien herausgeschmuggelt, verbreitete sich im Rest Europas, wurde nachgedruckt, übersetzt und blieb erhalten. Das Buch wurde 1835 vom Index genommen, Galilei selbst 350 Jahre nach seinem Tod, im Jahr 1992, von Johannes Paul II. rehabilitiert.