Musik:Wieso Songtexte immer einfacher werden

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Bob Dylan erhielt für seine Texte 2016 den Nobelpreis für Literatur. Das ist bei jüngeren Songwritern unwahrscheinlich. (Foto: Chris Pizzello/AP)

Die Texte von Popsongs werden seit Jahren immer simpler, Wörter und Sätze wiederholen sich zunehmend. Liegt das an der wachsenden Konkurrenz oder der fehlenden Aufmerksamkeit der Hörer?

Von Christian Weber

So viel Musik, überall. Viele Millionen Stücke und Songs bieten die Streamingdienste mittlerweile rund um die Uhr an. Für etwa zehn Euro Abogebühr ist heute fast die gesamte Musik der Menschheit jederzeit auf Tastendruck verfügbar. Die Optionen sind ungeheuer, die Konkurrenz aber auch - und das hat Folgen für die Musik. Popsongs werden zum einen immer kürzer, wie bereits häufiger gemessen wurde. Aber auch die Texte haben sich deutlich verändert: Die sogenannten Lyrics werden immer simpler, berichtet jetzt ein Forscherteam um die Computerwissenschaftlerin Eva Zangerle von der Universität Innsbruck im Fachmagazin Scientific Reports.

Die Forscher und Forscherinnen sahen sich insgesamt 353 329 englischsprachige Songtexte an, die auf allgemein zugänglichen Datenbanken wie Genius und LFM-2b zu finden sind und zwischen 1970 und 2020 veröffentlicht wurden. Insgesamt 12 000 Songs aus den Genres Rap, Country, Pop, R&B und Rock unterzogen sie einer genaueren, aufwendigen statistischen und linguistischen Computer-Analyse. (Stücke aus Jazz und moderner Klassik ließen sie außen vor, weil diese naturgemäß eher selten Text einsetzen.) Verglichen wurden zahlreiche Parameter wie Textlänge, Schwierigkeit der grammatischen Formen, das Vorkommen komplexer Wörter, Reime, Wiederholungen, Merkmale für Emotionalität. Ermittelt wurde außerdem, wie populär die Stücke jeweils waren.

Dabei zeigte sich ein eindeutiger Trend: "Wir haben herausgefunden, dass die Texte der Popmusik über die Zeit einfacher und leichter verständlich geworden sind", schreiben die Autoren in ihrer Studie. Erkennbar sei das an der sinkenden lexikalischen und strukturellen Komplexität der Texte. So gebe es etwa deutlich mehr Wiederholungen. Außerdem konnten die Forscher früherer Untersuchungen bestätigen, "dass die in den Texten beschriebene Emotionalität in den vergangenen fünf Jahrzehnten negativer und persönlicher geworden ist".

Sänger aller Musikstile hatten in den vergangenen Jahren offenbar mehr Wut im Bauch

Dabei gebe es gewisse Unterschiede zwischen den Genres. So zeigten sich im Rap und Rock besonders wenig Abwechslung bei der Wahl der Wörter, wobei - ein Gegentrend - Rapper häufiger mehrsilbige Wörter verwendeten. Emotional besonders negativ seien R&B, Pop und Country, während sich Rapper schon gelegentlich auch positiv äußerten. Gemein war den Sängern und Sängerinnen in allen fünf Musikstilen, dass sie mehr Wörter verwendeten, die mit Wut zu tun hatten.

Über die Ursachen dieser Entwicklungen können die Autoren nur spekulieren. Womöglich liege das auch daran, dass heute häufiger Hintergrundmusik gehört werde, bei der man sich weniger konzentrieren wolle. Verwiesen wird aber auch auf neue Studien wie die eines Team um Michael Varnum von der Arizona State University in Plos One. Sie fanden zwischen 1958 und 2016, dass Songs immer dann simpler werden, wenn gerade besonders viel Konkurrenz auf dem Musikmarkt herrscht: Was einfacher - und vielleicht auch lauter ist - wird eher von den Rezipienten wahrgenommen.

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