Polarforscher Ernest Henry Shackleton:Er starb an Sturheit

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Raue Bärte, eisiger Wind: Polarforscher Ernest Henry Shackleton (2.v.l.) mit Kollegen. (Foto: DPA)

Ein britischer Arzt hat die Todesursache des berühmten Polarforschers Ernest Henry Shackleton untersucht. Tagebucheinträge verraten, was ihm wohl fehlte.

Von Felix Hütten

Es gibt ja diesen Lebensrat, der sagt: Hör auf dein Herz! Sir Ernest Shackleton war so jemand, der auf sein Herz hörte. Der Brite zählt zu den berühmtesten Polarforschern und Entdeckern. Sein Leben widmete er vier Antarktisexpeditionen, unter anderem mit dem Ziel, als erster Mensch den geographischen Südpol zu erreichen. Am 5. Januar 1922 starb Shackleton im Alter von 47 Jahren. Kurz vor seinem Tod klagte er bei Expeditionsarzt Alexander Macklin über Rückenschmerzen.

Knapp hundert Jahre später will der pensionierte Anästhesist Ian Calder aus London jetzt die genaue Todesursache herausfinden. Auf der Suche nach Hinweisen wertete er Tagebücher der Expeditionen von Shackleton aus. Alle Indizien, schreibt Calder im Journal of the Royal Society of Medicine am Mittwoch, würden für eine Herzrhythmusstörung mit einer Anomalität am Herzen als Ursache sprechen. Kurzum: Shackleton litt womöglich an einem angeborenen Herzfehler.

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Shackleton hatte schon früh Probleme mit dem Kreislauf. Den Aufzeichnungen zufolge ist er gerade mal 28 Jahre alt, als er im Jahr 1902 während der berühmten Discovery-Expedition das erste Mal zusammenbricht. Nach dem Vorfall soll Shackletons Frau Emily darauf bestanden haben, dass sich der Forscher von einem Herzspezialisten untersuchen lässt, noch bevor er zum zweiten Mal in die Antarktis aufbricht.

"Er zahlte sein Geld und weg war er"

Die Tagebuchaufzeichnungen seines Arztes James McIlroy belegen zwar, dass Shackleton einen Experten aufsuchte. "Aber ich denke", schreibt McIlroy, "er untersuchte den Spezialisten, anstatt sich von dem Spezialisten untersuchen zu lassen. Er zahlte sein Geld und weg war er."

Auch während seiner zweiten Expedition bleibt Shackleton stur. Der Mannschaftsarzt Eric Marshall notiert 1908 in seinem Tagebuch: "Ich habe gehört, S. geht es schlecht, nachdem er an einem Seil gezogen hatte." Obwohl Shackleton sich zunächst weigert, gelingt es Marshall, seinen Patienten zu untersuchen. Der Mediziner hört, so steht es in den Tagebüchern, ein ungewöhnliches Rauschen während des systolischen Pulsschlags; also in jener Phase, in der das Herz Blut in den Körper pumpt.

Ähnliches ereignet sich 1919. James McIlroy war Shackletons Expeditionsarzt bei seiner dritten und vierten Reise. Er schreibt: "Shackleton verliert seine Gesichtsfarbe, er hatte einen Anfall - aber er weigerte sich, die Kleider abzulegen und mich auf sein Herz hören zu lassen." Der Arzt klingt verzweifelt, sein Patient scheint uneinsichtig. Mit "Anfall" könnte der Arzt eine Angina pectoris meinen - ein Enge- und Schmerzgefühl am Herzen, oftmals Vorbote eines Herzinfarkts.

Diagnose: Vorhofseptumdefekt

Aufgrund der Indizien vermutet Calder, dass Shackleton an einem sogenannten Vorhofseptumdefekt gelitten hat. Es handelt sich um ein angeborenes Loch in jener Wand, die die Herzvorhöfe trennt. Durch das kleine Loch fließt Blut vom linken in den rechten Vorhof. Manche Patienten leiden deswegen gelegentlich unter Atemnot und Rhythmusstörungen. Auch steigt das Risiko für einen Schlaganfall, da sich Blutgerinnsel bilden können.

Gut möglich, dass Shackleton letztlich an einem Schlaganfall verstorben ist, auch ein klassischer Herzinfarkt wäre denkbar. Der Mann war starker Raucher. Es bleibt Spekulation, ob der Polarforscher alt geworden wäre, hätte er den Untersuchungen zugestimmt. Ausgeklügelte Operationsmethoden gab es damals noch nicht. Als Behandlung hätte man ihm aber eines anbieten können: Ruhe.

Womöglich aber blieb Shackleton genau deshalb stur. Nach allem, was man über den Polarforscher weiß, kam eines für ihn nicht in Frage: Zu Hause zu sitzen, während andere das ewige Eis erkunden. Shackleton ignoriert also die Warnungen seiner Ärzte und hört auf sein Herz. Er zieht wieder los in die Kälte der Antarktis - und stirbt.

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