Patientenverfügung:Nachdenken über den Tod

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Was möchte ein Mensch am Ende des Lebens? Damit Ärzte, Pflegende und Angehörige das wissen, ist es wichtig, eine Patientenverfügung zu verfassen. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Gerade im Falle einer Demenz ist es wichtig, sich frühzeitig Gedanken über das Lebensende zu machen. Welche Überlegungen beim Ausfüllen einer Patientenverfügung helfen.

Von Theresa Parstorfer

Über den Tod spricht niemand gerne. Vor allem, wenn es um die Entscheidung geht, wie man sterben möchte. Denn so individuell wie die Vorstellungen darüber sind, was ein lebenswertes Leben ist, so unterschiedlich beantworten Menschen auch die Frage danach, was einen friedvollen Tod ausmacht. Lebenserhaltende Maßnahmen: ja oder nein? Magensonde, künstliche Beatmung: ja oder nein? Weil diese Antworten für medizinische Maßnahmen wichtig sein können, ist seit 2009 die Patientenverfügung im BGB verankert. Hält ein Volljähriger schriftlich fest, welche Behandlung für ihn noch zulässig ist und welche nicht mehr, dann muss dem nachgekommen werden.

Demenzerkrankungen stellen Ärzte vor eine besondere Herausforderung, denn eine Demenz geht mit eingeschränkter Einwilligungsfähigkeit einher, Patienten können ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr entscheiden, was sie gutheißen und was nicht. Noch dazu stellt sich mit der Diagnose eine weitere Frage: Bis zu welchem Punkt möchte man mit einer Demenzerkrankung weiterleben?

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Georg Marckmann ist Professor für Medizinethik an der LMU und beschäftigt sich mit eben diesen Fragen: Wie kann sichergestellt werden, dass das Selbstbestimmungsrecht eines Demenzpatienten gewahrt bleibt, selbst wenn er die eigenen Wünsche nicht mehr formulieren kann, sie nicht einmal mehr weiß?

Es sei sinnvoll, so Marckmann, sich frühzeitig über die eigenen Vorstellungen vom Leben und auch vom Sterben klar zu werden. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht sind dabei zwei wichtige Instrumente, die sich gegenseitig ergänzen. In einer Vorsorgevollmacht wird eine Vertrauensperson bestimmt, die bei Verlust der eigenen Entscheidungsfähigkeit einspringt. Diese Person ist stets an den Willen und das Wohlergehen des Patienten gebunden. Auch für Ehepartner ist das Ausfüllen einer solchen Vollmacht wichtig, denn der Partner wird keineswegs automatisch zum Bevollmächtigten.

Eine Patientenverfügung bindet immer alle anderen, niemals einen selbst

Damit dieser die persönlichen Wünsche auch kennt, sollten diese vorher in einer Patientenverfügung festgehalten werden. "Wichtig dabei ist: Eine Patientenverfügung bindet immer nur die anderen. Niemals Sie selbst", sagte Marckmann. Er weiß von der Angst, eine einmal geschrieben Patientenverfügung sei für immer "in Stein gemeißelt." Man könne sie aber jederzeit zerreißen und eine neue ausfüllen. Für den Fall, dass keine Patientenverfügung existiert, sieht das Gesetz vor, dass aus den Wertvorstellungen des Patienten aus früheren mündlichen und schriftlichen Äußerungen ein "mutmaßlicher Wille" ermittelt wird. Dies birgt allerdings einiges mehr an Unsicherheit.

Deshalb rät Marckmann dringend zu beidem: Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Für Vorsorgevollmachten gibt es Formulare beispielsweise vom Bayerischen Staatsministerium für Justiz. Aber auch für die Patientenverfügung gibt es gute Vorlagen. Ergänzt werden können diese durch persönliche Festlegungen. "Eine mögliche freiere Formulierung wäre: 'Mit einer lebensverlängernden Behandlung bin ich solange einverstanden, wie ich nach Einschätzung meines Bevollmächtigten überwiegend noch Freude am Leben empfinde'", sagt Marckmann. Dann geht es nicht darum, wie fit jemand geistig ist, sondern ob er das Leben noch genießen kann.

Marckmann empfiehlt, neben konkreten Festlegungen für bestimmte Behandlungssituationen vor allem allgemeine Einstellungen zu Leben, Krankheit und Sterben zu formulieren. Antworten auf Fragen wie: "Was bedeutet es für Sie, (noch lange) weiter zu leben?" Oder: "Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie ans Sterben denken?"

Themen wie Tod und Palliativmedizin werden von vielen Menschen gemieden

Wie Abschiednehmen vom Leben aussieht, weiß Janine Diehl-Schmid, Professorin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der TU München. Für eine wissenschaftliche Studie hat sie mit Demenzpatienten im letzten Stadium einer Demenz zu tun. "Man stirbt nicht an der Demenz, aber an den Symptomen, die mit der Demenz einhergehen", sagt sie. An Schluckbeschwerden etwa, die zu tödlichen Lungenentzündungen führen, oder an der Folge von Stürzen.

Diehl-Schmid weiß, dass die Themen Tod und Palliativmedizin von vielen Menschen gemieden werden, doch sie sagt: "Jeder von uns muss sterben, da wäre es wichtig, sich auch damit auseinanderzusetzen." Die Palliativmedizin, die ursprünglich aus der Krebsbehandlung kommt, sei mittlerweile auch im Demenzbereich gut aufgestellt. "Da gibt es wunderbare Teams, die genau wissen, was zu tun ist", sagt sie und betont: Es gibt einen gesetzlichen Anspruch auf Sterbebegleitung durch einen erfahrenen Hausarzt, einen Pflegedienst oder ein spezialisiertes Team (SAPV - Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung).

Sterbebegleitern geht es darum, dass das Lebensende möglichst wenig belastend ist. Deshalb rät Diehl-Schmid in den meisten Fällen von einer künstlichen Ernährung mittels Magensonde ab. "Das hat man früher oft gemacht, wenn Demenzpatienten nicht mehr schlucken konnten", heutzutage sei das aber nicht mehr das Vorgehen der ersten Wahl, da die Sonde in vielen Fällen mehr negative als positive Auswirkungen hat. "Lieber sollte man schauen, dass die wenige Zeit, die noch bleibt, möglichst angenehm ist." Schmerzen, Atemnot oder auch Angstzustände und Verwirrtheit können auftreten, "all das kann man gut behandeln", so Diehl-Schmid. Medikamentös, beispielsweise mit Morphium bei Atemnot, aber auch durch die Atmosphäre, Licht, Musik und Berührung. So werde so etwas wie ein friedlicher Tod möglich.

© SZ vom 25.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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