Paläontologie:Das Keinhorn

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Gestatten: Chilotherium, Vorfahre der Nashörner, nur eben ohne Horn. Hier ausgestellt im chinesischen Taiyuan. (Foto: imago stock&people/imago/Xinhua)

Forscher haben in Museen fossile Schädel von hornlosen Nashörnern entdeckt. Das ist längst nicht der einzige verblüffende Fund.

Von Sina Metz

Vor etwa fünf Millionen Jahren - und ganz ohne Zutun des Menschen - starben Tiere der Gattung Chilotherium aus. Man kann sie sich wie Nashörner vorstellen, zu deren Vorfahren sie auch zählen, nur hatten sie kein Horn. Nicht auf der Nase und auch nicht weiter hinten Richtung Stirn, wo manche heutigen Rhinozerosse ihr Zweithorn tragen. Vertreter von Chilotherium hätten mit ihren kurzen Beinen und dem prallen Bauch sicherlich ein Wettrennen gegen ihre Nachfahren verloren. Manche der heutigen Nashornarten können 55 Kilometer pro Stunde laufen. Trotzdem haben ihre Beinchen sie weit getragen: Sie lebten in Südosteuropa und Asien.

Wenn Forscherinnen und Forscher weltweit heute Schädel oder Knochen finden, die sie mit dieser Gattung abgleichen wollen, haben sie allerdings ein Problem. Für zwei Arten fehlt ihnen die Referenz. So werden Funde bezeichnet, die als Grundlage für die Beschreibung einer Art dienen, quasi das Aushängeschild einer Spezies. Die Chilotherium-Referenzfossilien, die einst in der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (BSPG) lagerten, sind seit der Bombardierung Münchens im April 1944 durch die Alliierten verschollen und wahrscheinlich zerstört. Seither gab es nur ein paar Illustrationen früherer Funde.

Deshalb hat ein internationales Forschungsteam nun Sammlungen von Museen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Griechenland und der Schweiz nach weiteren Chilotherium-Exemplaren durchforstet. Fündig wurden sie im Museum der Natur Hamburg und dem Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt: Dort haben sie zwei fossile Schädel hornloser Nashörner entdeckt, die sie im Journal of Vertebrate Paleontology als neue Referenz vorschlagen. Für die paläontologische Gemeinschaft sei das "von größter Bedeutung", sagt die Paläontologin Manon Hullot von der BSPG.

Auch sie hat Museen schon nach Schädeln oder anderen Funden durchsucht, das sei üblich. "Normalerweise wissen wir im Voraus, wonach wir suchen, aber es kann auch Überraschungen geben." So kommen manchmal bei solchen Streifzügen vergessene Funde wieder ans Licht: Fünfzehn Jahre lagerte ein versteinertes Ei in einem Museum im südchinesischen Yingliang. Darin: ein perfekt erhaltenes Fossil eines ungeschlüpften Dinosaurierbabys, Spitzname Baby Yingliang. Die Beine angezogen, dicht an den Körper geschmiegt, Rücken gekrümmt, den schnabelartigen Kopf zwischen die Zehen geklemmt. Die eingerollte Haltung ähnelt der von Vogelembryos, bevor sie schlüpfen. Für die Forscher ist das ungefähr 70 Millionen Jahre alte Fossil ein Beweis für die Verwandtschaft von Dinosauriern und Vögeln.

Wie die Dinosaurier auszusterben, dieses Schicksal droht derzeit auch drei von fünf der heutigen Nashornarten, die in Afrika und Asien leben. Während sich die Zahlen der afrikanischen Nashörner langsam erholen, gibt es vom Sumatra-Nashorn nur noch weniger als 50 Tiere. Das hängt auch mit ihrem Horn zusammen, beziehungsweise mit der illegalen Jagd danach. Anders als das echte Horn, das Schafe oder Antilopen tragen, oder das Geweih, das Hirsche und Rehe ziert, besteht das des Nashorns nicht aus Knochen, sondern aus verklebten und verhornten Hautzellen. Wie Haare oder Nägel beim Menschen wächst es lebenslang nach.

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