Musikalisches Schlaftraining:Einschlafen mit Hirnwellen-Sound

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Musik soll ja beruhigend wirken - wenn man nicht grade Trash Metal hört oder den Volumenregler auf 180 dreht. Aber kann spezielle Musik beim Einschlafen helfen? Ja, vermuten deutsche Wissenschaftler - wenn man das Gehirn mit der richtigen Tonfrequenz beschallt.

Von Markus C. Schulte v. Drach

Kann Musik wirklich beim Einschlafen helfen? Vielleicht sogar bei Menschen, die Ein- oder Durchschlafprobleme haben? Das sind immerhin 20 bis 30 Prozent der deutschen Bevölkerung. Davon überzeugt sind zumindest die Entwickler der eines neuen "Schlaftrainings" mit Hilfe von Musik.

Messung der Hirnwellenmuster mit dem Elektro-Enzephalogramm (EEG) (Foto: Foto: dpa)

Hört man sich die Kompositionen auf den CDs der Firma infrasonic an, stellt man fest, dass es sich um Synthesizer-Sounds handelt, die an übliche akustische Meditations-Helfer erinnern. Klar, die können einem schon mal ins Unbewusste helfen. Wieso aber sollte gerade das Gedudel von infrasonic helfen, wo andere Klänge versagen?

Weil es eigentlich nicht um die Musik geht. Vielmehr setzen die Fachleute auf ein physikalisches Phänomen, das der normalsterbliche Hörer nicht wahrnimmt:

Aus den Stereo-Lautsprechern kommen gleichzeitig Töne mit Frequenzen, die gezielt um wenige Hertz verschoben sind. Die Methode basiert auf der die Vermutung, dass das Gehirn bei der Verarbeitung von Ton-Differenzen selbst Hirnwellen produziert, die diesen Frequenzen entsprechen.

In unserem Denkorgan treten in den Schlafphasen Hirnwellen mit bestimmten Frequenzen auf. Ziel der Fachleute ist es nun, genau diese Frequenzen auszulösen, indem man den Schlaflosen mit eben den Tönen beschallt, die die richtige Frequenz-Differenz aufweisen.

Eine andere Theorie geht davon aus, dass bei zwei gleichzeitig gespielten Tönen mit minimaler Frequenzverschiebung ein dritter Ton wahrgenommen wird, ein so genannter binaural beat. Es könnte sein, dass es bei zwei gleichzeitig auftretenden, minimal verschobenen Tönen zu diesem dritten Ton kommt, der der Differenz der zwei Ausgangsfrequenzen entspricht. Unser Gehirn aber kann solche Töne möglicherweise auch verarbeiten, wenn wir sie gar nicht bewusst hören.

Musik die ganze Nacht

Doch was auch immer auf unser Gehirn wirkt - wirkt es wirklich? Können Menschen mit chronischen Schlafstörungen von dieser Technik profitieren? Schön wär's - immerhin führt die nächtliche Ruhelosigkeit bei vielen Betroffenen unter anderem zu Leistungsminderung und Schwermut.

Dieser Frage sind Egon Stephan und seine Mitarbeiter vom Psychologischen Institut der Kölner Universität nachgegangen. Sie beschallten 170 Personen, die nach eigenen Angaben Schlafprobleme hatten. Die ruhelosen Kölner mussten sich über einen Zeitraum von sechs Wochen mit den Synthesizer-Sounds berieseln lassen, Stunde um Stunde wiederholte sich die Musik die ganze Nacht.

Um einem Placebo-Effekt vorzubeugen, erklärten die Forscher den Versuchsteilnehmern zuvor, dass es aus wissenschaftlicher Sicht ernste Zweifel an der Wirksamkeit der Klänge gebe.

Nach dem Versuch berichtete trotzdem jeder zweite Teilnehmer von einer verbesserten Schlafqualität. Bei 73 Prozent verlängerte sich die Schlafdauer im Durchschnitt um immerhin 26 Minuten - die jeder zu schätzen weiß, der schon einmal eine halbe Stunde vor dem Klingeln des Weckers aufgewacht ist.

Von den übrigen 50 Prozent wollten immerhin die Hälfte die CDs weiterhin benutzen, was die Wissenschaftler als Hinweis interpretieren, dass auch diese Versuchspersonen möglicherweise von der Musik profitierten, von der Skepsis der Wissenschaftler in ihrem subjektiven Eindruck jedoch beeinflusst worden waren.

Nach Einschätzung der Forscher spricht demnach einiges dafür, dass die Klänge Menschen mit Schlafproblemen helfen könnten - wenn sie über längere Zeit und konsequent eingesetzt werden.

Messung der Hirnwellen

Für eine Wirkung der Doppel-Ton-Methode sprechen auch die ersten Daten einer weiteren Studie der Kölner Forscher. Mit Hilfe von Hirnwellen-Messungen überprüfen die Wissenschaftler derzeit, ob die Klänge wirklich zu den vermuteten Veränderungen im Gehirn führen.

Tatsächlich deuten die bislang ausgewerteten Hirnwellenmessungen mittels EEG auf solche Effekte hin. Das abschließende Ergebnis der Doppel-Blind-Studie (bei der weder Versuchsteilnehmer noch -betreuer wissen, ob eine echte oder falsche Schlafmusik gespielt wird) steht allerdings noch aus.

Im Gegensatz zu vielen anderen Schlafmitteln hat Musik - sei es nun Meditationsgedudel oder das Schlaftraining mit den frequenzverschobenen Tönen - natürlich einen großen Vorteil:

Sie ist völlig ohne Nebenwirkungen

Zumindest für die Betroffenen selbst. Denn Menschen ohne Schlafprobleme könnten sich durch die Musik oder die links und rechts über dem Kopf ihres Partners aufgestellten Lautsprecher gestört fühlen. Bleibt die Hoffnung, dass die Methode auch über Kopfhörer funktioniert.

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