Meteorologie:Warum es gerade so kalt ist

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Eine Blumenwiese unter Schnee: Dieser Anblick bot sich am Wochenende in Teilen Bayerns. (Foto: dpa)
  • Einige Regionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz erleben gerade einen heftigen Kälteeinbruch.
  • Die aktuellen Temperaturen bewegen sich im Rahmen des Üblichen.
  • Allerdings ist ein Einfluss des Klimawandels auf derartige Einbrüche denkbar.

Von Marlene Weiß

Eigentlich hat man sich ja daran gewöhnt, dass das Wetter Rekorde bricht. Wärmster Monat, wärmstes Jahr, heißester Tag und so weiter; nachdem der April 2019 als 13. Monat in Folge zu warm war, muss man aktuell in Deutschland auch die längste Wärmeperiode seit Beginn der Messungen verbuchen. Aber was ist bitte nun los? Mitten im Mai Rekord-Schneefälle in der Schweiz.

Auch in Deutschland und Österreich erlebten einige Regionen einen heftigen Wintereinbruch. In St. Gallen fielen am Wochenende auf 700 Meter Höhe fast 20 Zentimeter Neuschnee, glatte acht Zentimeter mehr als beim letzten Mai-Rekord aus dem Jahr 1957. In Bern waren es immerhin vier Zentimeter, auch das ein Rekord für den Monat. Auf der Zugspitze liegt der Schnee nun 5,80 Meter hoch, mehr gab es zuletzt vor 20 Jahren.

Und natürlich wird prompt spekuliert, ob dieses Wetter noch "normal" ist - oder ein Hinweis darauf, dass das Klima jetzt komplett verrückt spielt? Anders als bei den jüngsten Wärmerekorden gibt der Deutsche Wetterdienst (DWD) in diesem Fall jedoch Entwarnung: "Der Kälteeinbruch ist im Rahmen des normalen Ausschlags", sagt Sprecher Andreas Friedrich. Früher sprach man von den Eisheiligen, die im Kalender Mitte Mai anstehen und in Bauernregeln vorkommen, weil so später Frost für die Landwirtschaft sehr bedrohlich sein kann. In diesem Jahr wäre die Kälte lediglich ein paar Tage zu früh dran, wobei auf den traditionellen Kälteeinbruch zu den Eisheiligen in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr viel Verlass war.

Wenn der Jetstream schwächelt, hängen Wetterlagen manchmal länger in einer Region fest

Allerdings ist dennoch auch ein Einfluss des Klimawandels auf Kälteeinbrüche denkbar. Denn sie entstehen durch große Wellen im sogenannten Jetstream, einem kräftigen Höhenwind, der in West-Ost-Richtung rund um die Arktis weht und die dortige kalte Luft von der wärmeren weiter südlich isoliert. Wenn er besonders stark mäandert, entsteht innerhalb einer solchen Ausbuchtung ein sogenannter Höhen-Trog, der polare Kaltluft weit nach Süden schwappen lassen kann. Genau das passiert dieser Tage über Mitteleuropa.

Grundsätzlich ist das nichts Neues, Wellen im Jetstream gab es schon immer. Aber wegen des starken Eisrückgangs am Nordpol nimmt die Arktis viel mehr Sonnenstrahlung auf als früher und erwärmt sich deshalb wesentlich schneller als der Rest der Erde. Dadurch schwindet die Temperaturdifferenz zwischen der Polarregion und südlicheren Gegenden. Sie ist aber der Motor des Jetstreams. Schwächelt dieser Antrieb, wird auch der Jetstream schwächer.

Zuweilen kann es passieren, dass die Wellen des Jetstreams quasi stecken bleiben und über Wochen an der gleichen Stelle verharren. Simulationen haben mehrfach gezeigt, dass diese Konstellation durch den Klimawandel häufiger werden dürfte. Weil mit den Wellen auch Hochs und Tiefs festsitzen, kann so aus ein paar Regentagen eine Überschwemmung und aus angenehmem Badewetter eine Hitzewelle werden, der Trend begünstigt also Extremwetter.

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Es gibt auch Hinweise darauf, dass ein schwächerer Jetstream zu stärkeren Ausbuchtungen neigt; so gesehen, könnte das Klima also auch beim aktuellen Kälteeinbruch seine Hand im Spiel haben. "Aber die natürliche Variabilität ist viel größer als das Signal, das man erwarten würde", sagt Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Selbst wenn es einen solchen Effekt gibt, wäre er also über dem normalen statistischen Wetter-Rauschen schwer festzustellen. Vorerst jedenfalls dürfte das Wetter in Deutschland durchwachsen bleiben; nach ein paar milderen Tagen soll es zum Wochenende wieder kälter werden.

© SZ vom 07.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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