Marketingforschung:Die Marke und ich

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Wer seinen Porsche streichelt, hat nun so etwas wie den wissenschaftlichen Segen dafür: Luxusmarken haben eine "Persönlichkeit", fanden Marketingforscher heraus.

Berit Uhlmann

Wenn der konservative Großverdiener ein weißes T-Shirt braucht, ist es selten ein Zufall, zu welchem er greift. Shirts von Sisley, die gerne mit eher liederlich wirkenden Models beworben werden, werden es kaum in seinen Kleiderschrank schaffen; gut möglich, dass er sie nachgerade verabscheut. Hängt der gleiche Pulli an einer frisch gekämmten Schaufensterpuppe einer Hermès-Boutique, zückt er mit größerer Wahrscheinlichkeit die Geldscheine. Die Welt des Konsums erscheint irrational. Für Luxusgüter gilt dies noch ein bisschen mehr.

"Gerade bei Luxusprodukten, schätzen Käufer nicht nur die funktionalen Eigenschaften wie Materialbeschaffenheit oder mögliche Langlebigkeit, sondern vor allen den symbolischen Wert der Ware", sagt Klaus Heine, Marketing-Forscher an der Technischen Universität Berlin. Der Nutzen von Edelprodukten bestehe für den Käufer häufig zu mehr als der Hälfte aus dieser Symbolik oder auch "Aura". Was genau diesen immateriellen Wert charakterisiert, hat Heine nun untersucht.

Der Betriebswirt und sein Team haben 31 deutsche Millionäre und 20 junge Besserverdiener interviewt und ihre Ansichten zu großen und kleineren Edelmarken eingeholt. Am Ende haben sich aus den Gesprächen dominierende Kriterien herauskristallisiert, die Käufer bei der Bewertung hochpreisiger Kleider, Uhren oder Taschen heranziehen. Und da Heine im Bereich des Glamourösen unterwegs ist, nennt er sie die "fünf Dimensionen" des Luxus.

Sie heißen "Modernität", "Exzentrik", "Opulenz", "Elitismus" und "Stärke". Je nachdem wie sehr ein Konsument sich zu ihnen hingezogen fühlt oder aber von ihnen abgestoßen wird, trifft er dem Marketingforscher zufolge seine Kaufentscheidung.

Mode von Hugo Boss beispielsweise wurde von den Befragten als "stark" im Sinne von sportlich, maskulin, dynamisch und erfolgreich bewertet. Den Gegenpol dazu stellen Kreationen von Jean Paul Gaultier dar, die als "weich" charakterisiert und mit Eigenschaften wie verspielt, zart und weiblich beschrieben wurden.

Das Charakteristikum "elitär" bedient den Einschätzungen nach beispielsweise Gucci. Produkte dieser Marke empfanden die Befragten als künstlerisch, aristokratisch, arrogant und unnahbar. Für das Gegenteil steht die Schweizer Firma Strellson, deren Kleidung als eher "demokratisch" wahrgenommen und von Kunden mit Wörtern wie natürlich, warm, authentisch und freundlich bedacht wurden.

Da die meisten dieser Charakteristika zugleich menschliche Eigenschaften sind, bilden sie Heine zufolge die "Persönlichkeiten" der Luxusmarken. Das Konzept der Markenpersönlichkeit ist allerdings nicht neu. Die Marketing-Forscherin Jennifer Aaker von der Stanford University hatte es 1997 eingeführt und als Grundgerüst die fünf Kriterien "Anständigkeit" (z.B. Body-Shop), "Kompetenz" (z.B. IBM), "Überlegenheit" (z.B. Mercedes-Benz), "Unverwüstlichkeit" (z.B. adidas) und "Spaß" (z.B. Pepsi) postuliert. Die Wissenschaftler der Technischen Universität Berlin haben das Konzept jetzt erstmals in die Dimensionen des Luxus gehoben.

In denen stecken freilich große Dimensionen des Pekuniären. 275 Milliarden Dollar wurden 2008 weltweit im Luxussegment umgesetzt. "Wer da mithalten will, kann nicht einfach nur gut und teuer sein", sagt Heine: "Er muss eine komplette Markenpersönlichkeit kreieren". Da seine Untersuchungen beim Erstellen dieser Persönlichkeitsprofile helfen könnten, will der Betriebswirt auch den Vorwurf nicht gelten lassen, er verschwende hier möglicherweise öffentliche Forschungsgelder für elitäre Belanglosigkeiten. Der Luxusmarkt sei volkswirtschaftlich durchaus eine Größe. Gerade Deutschlands Marken hätten noch viel Potenzial, in dieses Segment vorzustoßen. Es fehlt wohl manchen der Jacken, Uhren und Teller nur noch ein bisschen an Persönlichkeit.

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