Als Präsident des Industrieverbandes Agrar (IVA) vertritt Schramm seit drei Jahren auch die Interessen der agrochemischen Industrie. Der Verband zählt 50 Mitglieder: börsennotierte Konzerne wie BASF oder Bayer mit Sitz in Deutschland, Tochterunternehmen internationaler Konzerne wie Monsanto oder Syngenta und Familienunternehmen wie Helm oder Neudorff. Alle verstehen sich selbst als Wohltäter der Menschheit. Als diejenigen, die in einer Welt, in der die Ackerfläche nicht wächst, wohl aber der Hunger einer immer größeren Weltbevölkerung, Landwirtschaft möglich machen.
Etwa 26 Millionen Tonnen Weizen produziere Deutschland im Jahr. "Ohne den Einsatz von chemischem Pflanzenschutz wären die Erträge halb so hoch", rechnet Schramm vor. Mit den fehlenden 13 Millionen Tonnen könne man fast 200 Millionen Menschen ernähren. Schramm macht eine Pause, so als wolle er die Zahl sacken lassen. Und dann entwirft er ein weiteres Szenario: "Wir könnten auch die Landwirtschaft aufgeben. Wir könnten alles importieren, die Deutschen können sich das leisten. Aber dann nehmen wir es anderen weg." Für den Lobbyisten Schramm wäre das ein Fehler - und zwar ein moralischer.
Auch Gifte aus der Natur können tödlich sein, betonen die Vertreter der industriellen Landwirtschaft
Zu einer modernen Landwirtschaft gehören für ihn Herbizide mit Glyphosat. Seine vernichtende Wirkung auf Pflanzen hat Monsanto, der Konzern für den Bayer nun bietet, Anfang der Siebzigerjahre erkannt und mit Roundup das erste Produkt auf den Markt gebracht. Schramm sagt: "Glyphosat war ein Glücksgriff. Es gibt keine Alternative."
Schramm und sein Verband haben dafür gekämpft, dass in der Europäischen Union die Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat um 15 Jahre verlängert wird. Glyphosat ist in vielen Totalherbiziden enthalten. Das Wort beschreibt die Wirkung ziemlich genau. Ein Totalherbizid tötet jede Pflanze, Wildpflanzen wie Nutzpflanzen - es sei denn, sie sind gentechnisch verändert und resistent gegen den Wirkstoff. Die Diskussion über die Zulassung von Glyphosat geriet zu einer gesellschaftlichen Debatte über die Landwirtschaft: Wie sollen Lebensmittel hergestellt werden? Wie viel Macht dürfen Konzerne wie Monsanto über die Versorgung mit Nahrungsmitteln haben, einem der grundlegendsten Bedürfnisse jedes Menschen? Wie viel Einfluss darf ein Staatskonzern wie Chem China haben? Lobbyisten von Greenpeace oder Foodwatch gegen Lobbyisten wie Schramm und seinen Verband. Bio-Bauern gegen konventionelle Landwirte. Klein gegen groß. Natürlich gegen chemisch. So einfach sei das nicht, betont Schramm. "Chemisch ist nicht per se schlecht und natürlich ist nicht per se gut." Der Mutterkornpilz etwa befällt Getreide wie Roggen und Weizen. "Sein Gift ist tödlich", sagt Schramm.
Es gab zu Glyphosat viele Untersuchungen. Die Bezeichnung Studie würde Schramm bei vielen nicht gelten lassen. Es gab Schlagzeilen: Glyphosat in Urin, in Bier, in Wein, sogar in Muttermilch. "Die analytischen Methoden sind heute so weit entwickelt, dass sich auch ein Stück Würfelzucker im Bodensee nachweisen lässt", sagt Schramm. "Aber der Nachweis eines Stoffes bedeutet nicht, dass er gefährlich ist." Schramm packt seine Argumente gerne in anschauliche Bilder. "Autofahren ist eine Gefahr, aber man kann sich dagegen schützen, das Risiko eindämmen, sich anschnallen." Am Ende gab es in Brüssel für Glyphosat eine technische Verlängerung um 18 Monate bis Ende 2017. In dieser Zeit soll eine neue Studie der europäischen Chemiebehörde Echa klären, welche Gefahren von dem Mittel ausgehen. "Ich bin enttäuscht", sagt Schramm. "Im Grunde war das ein Verstoß gegen die Regeln der europäischen Zulassungsverordnung."
Sein Verband, betont Schramm, setze sich für eine Kombination aus chemischem und biologischem Pflanzenschutz ein, und für Anbaumethoden, bei denen der Boden fruchtbar bleibt. "Vielfalt ist Zukunft", sagt er. Es ist ein Satz, der auch in den Broschüren seiner schärfsten Gegner stehen könnte.
Auch der Biologe Benting testet in den Gewächshäusern in Monheim nicht nur chemische Wirkstoffe. In einem Glas stecken die Wurzeln von Gurken. Fadenwürmer sind eingedrungen. "Die programmieren die Pflanze gewissermaßen um, so dass sie mit allen Nährstoffen gefüttert werden und nicht die Pflanze", sagt Benting. Solchen Schädlingen kann man auch mit biologischen Pflanzenschutzmitteln beikommen: mit Bakterien, die sich wie eine Wand um die Wurzeln legen. Noch sei der Anteil biologischer Pflanzenschutzmittel bei Bayer gering. "Aber vielversprechend", betont der Forscher.