Über das 4:0 der deutschen Nationalmannschaft gegen Argentinien bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 dürften sich in Wachtberg nicht viele Bürger gefreut haben. Eine Stunde, bevor das Spiel in Kapstadt angepfiffen wurde, trat in der Gemeinde bei Bonn der Mehlemer Bach über die Ufer. 130 Millimeter Regen waren gefallen, das Gewässer überflutete Straßen und Keller.
Schlagzeilen hat das Ereignis außerhalb des Rheinlands nicht gemacht, doch Christoph Unger nimmt es als Beispiel, um die Gefahren des Klimawandels für Deutschland zu illustrieren: Extreme Wetterereignisse werden stark zunehmen.
Unger ist Leiter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Seine Behörde hat mit vier anderen staatlichen Stellen eine strategische Allianz gegründet, um die Anpassung an die zu erwartende Veränderung durch den Klimawandel zu fördern.
Mit im Bund sind das Technische Hilfswerk, das Umweltbundesamt, der Deutsche Wetterdienst (DWD) und seit neuestem das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Es ist der Allianz am Dienstag in Berlin beigetreten. Zu diesem Anlass haben die Ämter eine gemeinsame Studie zur regionalen Zunahme der Extremwetterlagen vorgestellt.
"Die schwersten Ereignisse mit dem größten Schadenspotenzial weisen die höchsten Steigerungsraten auf", fasste Paul Becker vom DWD die Ergebnisse zusammen. So hätten die Bürger in Mannheim bisher alle 25 Jahre einen Tag erlebt, an dem die Temperaturen 39 Grad Celsius erreichten. Am Ende des Jahrhunderts dürfte es vier solche brütenden Tage pro Jahr geben.
Winterliche Stürme mit einer Windstärke von 11 Beaufort könnten statt wie bisher einmal pro Jahr dann im Schnitt zweimal über Deutschland toben, die heftigsten Orkane mit Stärke 12 wiederholen sich statt alle 25 Jahre alle fünf Jahre.
Die Veränderungen haben schon begonnen, darin waren sich die Behördenvertreter in Berlin einig. Das Technische Hilfswerk zum Beispiel habe 2010 fast doppelt so viele Einsatzstunden infolge von Wetterereignissen verzeichnet wie noch 2009, sagte Gerd Friedsam, der Vizepräsident des Dienstes. Auf insgesamt 900.000 Stunden seien die THW-Mitarbeiter gekommen.
Bisher seien die deutschen Bürger auf solche Extremereignisse relativ schlecht vorbereitet, ergänzte Christoph Unger. Seine Behörde will darum das Warnsystem erneuern und ausbauen, um künftig regional auf bedrohliche Wetterlagen aufmerksam zu machen.
Außerdem plant das Amt für Ende 2015 eine große Sturmflutübung. Von den Niederlanden bis nach Dänemark sollen Behörden und Unternehmen den Fall simulieren, dass die Nordsee nach einem Sturm ganze Landstriche überflutet. Die Bewohner sollen diesmal noch nicht einbezogen werden, obwohl in Deutschland die Erfahrung fehle, "Menschen großräumig und langfristig zu evakuieren".
Damit sich Krisen nicht zu Katastrophen auswachsen, müsse man auch die Infrastruktur vorbereiten, mahnte Kora Kristof vom Umweltbundesamt. Ihre Behörde hat dazu Kosten und Nutzen von 28 Maßnahmen für Verkehrswege, Städte, Kläranlagen oder das Stromnetz bilanziert.
Demnach dürfte sich das Begrünen von Dächern lohnen, weil die ablaufenden Wassermengen bei heftigem Regen reduziert werden. Das verringert die Überflutungsgefahr. Die Stadt Düsseldorf erlässt darum Hausbesitzern mit bewachsenen Dächern die Hälfte der Sielgebühren für Niederschlagswasser. Mit hitzeresistentem Straßenbelag könne der Staat bei künftigen Reparaturen sparen und damit bis zum Siebenfachen der heutigen Mehrkosten erwirtschaften, sagte Kristof. Allerdings müsse es Gemeinden erlaubt werden, solche Folgekosten bei der Vergabe von Aufträgen zu berücksichtigen, forderte sie.
Welche dramatischen Folgen extremes Wetter haben kann, führte derweil an der US-Atlantikküste der Hurrikan Sandy vor. Er bot den Behördenvertretern einen Anknüpfungspunkt: "Wir müssen den Bürgern erklären, wie sie verhindern", sagte Unger, "dass bei einem solch schweren Sturm ihre Keller volllaufen oder ihr Dach wegfliegt."