Umwelt:Wie Kunstdünger klimafreundlich werden kann

Umwelt: Ein Landwirt düngt seine Felder mit Hilfe eines Traktors.

Ein Landwirt düngt seine Felder mit Hilfe eines Traktors.

(Foto: Arnulf Hettrich/Imago)

Ammoniak wird als Rohstoff für Dünger und als Transportform von Wasserstoff gebraucht. Aber die Herstellung verschlingt viel Energie. Ein waldgrünes Molekülkettenknäuel könnte das Problem lösen.

Von Andrea Hoferichter

Man darf Düngemittel durchaus feiern, helfen sie doch, unzählige Menschen mit Nahrung zu versorgen. Schimpfen ist aber auch berechtigt, denn zu viel Dünger belastet die Gewässer, und die Produktion verschlingt Unmengen Energie. Allein die Herstellung von Ammoniak für Stickstoffdünger trägt mit mindestens einem Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Forschende weltweit arbeiten deshalb daran, diesen Anteil zu senken. Wie eine waldgrüne, kupferhaltige Substanz dabei helfen kann, berichtete ein Team der University of California, Berkeley, kürzlich im Fachmagazin Nature.

Schon seit mehr als 100 Jahren wird Ammoniak im sogenannten Haber-Bosch-Verfahren aus Stickstoff, dem Hauptbestandteil von Luft, und Wasserstoff gewonnen. Damit das stechend riechende Gas in möglichst üppigen Mengen geerntet werden kann, sind immer wieder harsche Temperaturwechsel nötig. Während die chemische Reaktion Temperaturen bis zu 500 Grad Celsius benötigt, lässt sich das Produkt Ammoniak am besten bei minus 20 Grad aus dem Gasgemisch abtrennen, denn in der Kälte wird es flüssig. Während die nötige Hitze durch die Abwärme des Prozesses gedeckt werden kann, verlangt das Kühlen eine Extraportion Energie.

Hier setzt die Idee von Benjamin Snyder an, der seit Anfang des Monats an der University of Illinois forscht und lehrt. Der Chemiker will das Ammoniakgas nicht verflüssigen, sondern mit einer porösen Substanz aus dem Gemisch herausziehen. Genauer gesagt, geht es um ein kupferhaltiges Knäuel aus Kohlenwasserstoff-Molekülketten, das zu den sogenannten metallorganischen Gerüstverbindungen "MOFs" (metal-organic frameworks) zählt und große Mengen Ammoniak aufsaugen kann, wie Snyder sagt.

Was mit seinem Molekül passierte, hat den Forscher selbst überrascht

Was dabei auf Molekülebene geschehe, hat den Forscher selber überrascht. "Dieses poröse, eigentlich dreidimensionale Gebilde ändert seine Struktur. Stellen Sie es sich wie ein Bündel Schnüre vor, die sich entwirren", erzählt er. Auch die Farbe ändere sich, wechsele von Waldgrün zu Blau. Werde der Ammoniak anschließend freigesetzt und aufgefangen, schnurrten die Molekülschnüre wieder zu einem grünen Knäuel zusammen.

Snyders Team und andere Wissenschaftler haben zwar schon andere poröse Materialien zur Ammoniakernte untersucht, darunter andere Gerüstverbindungen sowie aluminium- und siliziumhaltige Zeolithe. Doch die waldgrüne MOF-Variante sei besonders stabil und energiegenügsam, wenn es um das Freisetzen des Ammoniaks gehe, betont der Forscher. Der Prozess funktioniert laut Studie bei moderatem Druck und Temperaturen um 175 Grad Celsius.

Der mit Abstand größte Anteil am CO₂-Fußabdruck der Ammoniakproduktion geht allerdings auf das Konto der Ausgangssubstanz Wasserstoff, der bislang noch meist aus fossilen Rohstoffen wie Erdgas gewonnen wird. "Für eine nachhaltige Düngemittelherstellung kann er zum Beispiel durch die Elektrolyse aus Wasser, mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden", sagt Steffen Reichle vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Forscher arbeiteten außerdem an neuen Katalysatoren für die Wasserstoffproduktion und daran, die Ammoniaksynthese mit alternativen Energieeinträgen umzusetzen, zum Beispiel elektrisch, mit Licht oder mechanisch in einer Kugelmühle, wie es Reichle gerade untersucht.

Das Ziel vieler Forschungsansätze ist eine klimafreundliche Ammoniakproduktion in kleineren, dezentralen Anlagen, dort, wo das Gas gebraucht wird. Auch die Industrie arbeitet daran. Thyssenkrupp Uhde in Dortmund etwa bietet bereits Kleinanlagen für die Ammoniakproduktion mit reduziertem CO₂-Abdruck an. Das Unternehmen sieht dabei nicht nur den Einsatz von Ammoniak in der Landwirtschaft, sondern auch als chemischen Wasserstoffspeicher und Energieträger.

Benjamin Snyder hat ebenfalls dezentrale Produktionsanlagen im Visier. "Dafür sind allerdings weitere Fortschritte im Adsorptionsmitteldesign und effektivere Katalysatoren für die Ammoniak- und Wasserstoffproduktion nötig." Die erfolgreichen Tests seines Teams zur Ammoniakernte im Labor seien erst ein Anfang und nur ein Teil in einem größeren Puzzle. Bis eine "grüne" chemische Ammoniaksynthese marktreif sein wird, bleibt die ohnehin effektivste Methode, klimafreundlich zu düngen: Kunstdünger sparsam und nur dort auszubringen, wo er gebraucht wird. Außerdem können kluge Fruchtfolgen, etwa mit Hülsenfrüchten, für einen natürlichen Stickstoffeintrag in den Boden sorgen.

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