Klimaforschung:Der Klimawandel verändert die Wolkenmuster

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Sturmwolken ballen sich über einem Highway in der kanadischen Provinz Alberta zusammen. (Foto: Jeff McIntosh/AP)

In den Subtropen ist der Himmel weniger bedeckt, Stürme folgen neuen Bahnen, und Wolken türmen sich höher auf denn je.

Von Marlene Weiß

Auf den Bildern aus den Tiefen des Alls sind auf der Erde Wolken, Wasser und Land zu erkennen, von der Anwesenheit des Menschen merkt man nicht viel. Und doch hat Homo sapiens den Planeten mittlerweile so stark verändert, dass dies selbst aus großer Entfernung sichtbar ist. Das jedenfalls lassen die Ergebnisse vermuten, die US-Forscher am Montag in Nature veröffentlichten: Demnach hat die zarte, faserige Wolkenhülle um den Planeten bereits begonnen, sich merklich zu verschieben. Als wahrscheinlichen Grund dafür machen die Wissenschaftler den Klimawandel aus.

Sollten die Forscher um Joel Norris von der University of California in San Diego recht haben, wäre es ein weiterer Beleg für die Tragweite der globalen Veränderungen, welche die Erde längst erfasst haben. Ein Wandel, der sich nicht auf die Oberfläche des Planeten beschränkt, sondern von den Winden in der Atmosphäre bis in die Tiefen der Ozeane reicht.

Klimamodelle sagen schon lange voraus, dass sich Wolkenmuster verändern werden. Bislang aber waren Wolken ein notorischer Schwachpunkt der Klimaforschung: Zu komplex waren die Abläufe in der Atmosphäre, zu dünn die Datenlage. Das hat sich offenbar verändert.

Wüsten und Trockengebiete breiten sich nach Norden aus

Norris und seine Kollegen analysierten in mühevoller Fleißarbeit die Wolken-Daten, welche diverse Wettersatelliten seit den 1980er-Jahren aufgezeichnet haben. So weit als möglich filterten sie die kurzfristige Schwankungen heraus und suchten nach globalen Trends in der Wolkenbedeckung, die sie dann mit den Prognosen etablierter Klimamodelle verglichen. Dabei ergaben sich deutliche Übereinstimmungen: Demnach bestätigen die Beobachtungen die Vermutung, dass es in den Subtropen immer weniger Wolken gibt; Wüsten und Trockengebiete breiten sich nach Norden aus.

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Gleichzeitig verschieben sich die gewohnten großräumigen Bahnen, auf denen die vorherrschenden Winde Regen- und Gewitterwolken treiben, in Richtung der Pole. Insgesamt gibt es demnach inzwischen etwas mehr Wolken um den Äquator sowie jenseits des 50. Grads nördlicher beziehungsweise südlicher Breite, auf der Nordhalbkugel entspricht das ungefähr den Breiten nördlich von Berlin. Zwischen diesen Zonen werden die Wolken tendenziell weniger, im Mittelmeerraum zum Beispiel. Zudem stellten die Klimaforscher um Norris fest, dass die einzelnen Wolken sich in immer höhere Atmosphärenschichten auftürmen.

Besorgniserregend ist der Wolken-Effekt auch, weil er den Klimawandel verstärken könnte

Zwar können die US-Forscher einen Teil der beobachteten Veränderungen auch damit erklären, dass sich der Staub großer Vulkanausbrüche langsam legt, etwa der, den der Pinatubo 1991 in die Luft katapultierte. Aber einen wichtigen Anteil dürften auch die Treibhausgas-Emissionen der Menschen haben. Denn diese führen dazu, dass sich die Troposphäre durch die CO₂-Glocke stark erwärmt, während die darüber liegende Stratosphäre weniger Wärme abbekommt und kühler wird. Beides sollte theoretisch sowohl höhere Wolken als auch eine Verschiebung polwärts mit sich bringen, genau das also, was offenbar gerade eintritt.

"Die Ergebnisse sind absolut plausibel; sie zeigen, wie sehr die Klimaveränderung auch das ganze dreidimensionale Windsystem erfasst", sagt Mojib Latif, Klimaforscher vom Geomar-Helmholtz-Zentrum in Kiel. Allerdings sei der betrachtete Zeitraum ziemlich kurz: Über 30 Jahre können auch natürliche Schwankungen auftreten und die Effekte verfälschen. Meist untersuchen Klimaforscher daher längere Epochen. Trotzdem lobt Latif die Arbeit: "Es ist ein wichtiges Indiz", sagt er.

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Besorgniserregend ist der Wolken-Effekt auch deshalb, weil er den Klimawandel zusätzlich verstärken könnte: Weniger Wolken in den Subtropen führen dazu, dass dort weniger Sonnenstrahlung ins All reflektiert wird und sich die Erde dementsprechend erwärmt. Auch höhere Wolken würden den Treibhauseffekt verstärken, schreiben die Wissenschaftler.

"Wenn wir das Klima wirklich verstehen wollen, müssen wir das Wolkenbeobachten besser hinbekommen"

Und doch ist und bleibt das Thema Wolken kompliziert. In Deutschland kennt sich kaum jemand besser damit aus als Björn Stevens, Direktor der Abteilung für Atmosphärenforschung am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. "Was ich an der Arbeit faszinierend finde, das ist, wie schwer es ist, Trends in der Bewölkung festzustellen, weil unser Beobachtungssystem so unzureichend ist und die Modelle Wolken so schlecht darstellen", schreibt er in einem nachdenklichen Kommentar. "Wenn wir das Klima wirklich verstehen und uns auf regionale Veränderungen vorbereiten wollen, müssen wir das Wolkenbeobachten besser hinbekommen."

Stattdessen fehle aber jegliche Verpflichtung dazu, im Gegenteil: Schon in wenigen Jahren, wenn das Esa-Satellitenprogramm EarthCare ausläuft, könnte ein Teil der heutigen Wolken-Messungen Geschichte sein, viele Daten würden dann nicht mehr erhoben, wenn es kein Nachfolge-Programm gibt. Für die Klimaforscher ist das eine unerfreuliche Aussicht. Es kann gut sein, dass Wolken einer der besten Indikatoren für unerwartete Klimaveränderungen sind. Und um sie zu verstehen, reicht es leider nicht, auf dem Rücken zu liegen und in den Himmel zu schauen.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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