Homberg/Ohm (dpa/lhe) - Der letzte Baum auf der A49-Trasse durch den Dannenröder Forst ist gerodet - doch für die Aktivisten, die das Waldstück in Mittelhessen mehr als ein Jahr lang besetzt gehalten haben, hat der Widerstand gegen den Autobahnbau gerade erst begonnen.
An einem nasskalten Tag geben sie am Mittwoch eine Pressekonferenz direkt an der kahlgeschlagenen Schneise durch das Waldstück, das sie als Symbol für eine klimagerechte Verkehrswende sehen. Dort stapeln sich die abgeholzten Baumstämme, ein Zaun mit Natodraht schützt die künftige Baustelle. „Der Protest im Danni hört nicht auf. 2021 wird auch hier ein Klima-Camp stehen und Menschen werden weiter sich dem Irrsinn des Weiterbaus der A49 und längst überholten Autobahn-Projekten entgegenstellen“, sagt Aktivisten-Sprecherin Charlie Linde. Bei der Polizei wappnet man sich bereits für den weiteren Widerstand.
Momentan sei nicht absehbar, wie lange der Einsatz dauere und welche Personalstärke dafür nötig sei, „weil wir es immer wieder neu bewerten, um bestmöglich uns hier aufzustellen“, sagte ein Polizeisprecher. Nach den Rodungen stünden nun Aufräum- und Rückearbeiten im Dannenröder Forst an - also das Entasten und der Abtransport der gerodeten Bäume. Die Polizei sei weiterhin vor Ort, um die Arbeiten zu schützen. Man werde auch frühzeitig intervenieren, damit nicht neue Strukturen wie größere Baumhäuser in dem Waldstück entstehen.
Im Dannenröder Forst wurden Bäume für den Weiterbau der Autobahn 49 gerodet, die nach der Fertigstellung Kassel und Gießen direkter miteinander verbinden soll. Umwelt- und Klimaschützer sehen das Autobahnprojekt im Widerspruch zu einer klimagerechten Verkehrswende, die Befürworter versprechen sich davon weniger Verkehrsbelastung in den Dörfern der Region und kürzere Wege für Pendler und Unternehmen.
Ein Großaufgebot von bis zu 2000 Beamten aus allen Bundesländern hatte seit 10. November fast täglich in dem Waldstück Baumhäuser und Barrikaden geräumt, mit denen sich die Aktivisten gegen die Abholzungen stemmten. Vorangegangen waren bereits seit 1. Oktober Räumungen und Rodungen im Herrenwald bei Stadtallendorf (Landkreis Marburg-Biedenkopf) sowie im Maulbacher Wald bei Homberg/Ohm. Hunderte Menschen kletterten in dieser Zeit auf Bäume und wurden von speziell ausgebildeten Beamten aus teils luftiger Höhe auf den Boden gebracht.
Friedliche und teils kreative Formen des Protests habe es ebenso gegeben wie Angriffe gegen die Beamten, bilanzierten die Polizeisprecher. Neben Steinwürfen, Beschuss mit Zwillen und Pyrotechnik kam es auch zu Fäkalienwürfen bis hin zum Einsturz eines Baumstamm-Gestells, dessen Halteseil von einem Unbekannten durchtrennt worden sein soll. In mehr als 1000 Fällen nahmen die Beamten Menschen vorübergehend in Gewahrsam, insgesamt 450 Straftaten wurden angezeigt. Auch Schlagstöcke, Pfefferspray und Wasserwerfer setzte die Polizei ein - immer nach sorgfältiger vorheriger Abwägung, wie der Sprecher betonte. Aktivisten hingegen hatten der Polizei mehrfach vorgeworfen, bei ihren Einsätzen Menschenleben zu gefährden und Gewalt anzuwenden - was die Beamten zurückwiesen.
Nach den Ankündigungen der Umwelt- und Klimaschützer könnten ähnliche Konflikte künftig auch bei anderen Autobahnprojekten ins Haus stehen: „Wir hören erst auf, wenn die letzte Autobahn verhindert ist und kein Wald mehr von der Abholzung bedroht ist“, sagte Aktivisten-Sprecherin Charlie Linde. So solle das Protestcamp am Dannenröder Wald bis mindestens zum Ende der Rodungssaison Ende Februar fortbestehen und auch ein „Klima-Camp“ in dem Wald sei geplant, über das sich die Aktivisten mit anderen Bürgerinitiativen vernetzen wollen.
„Jetzt beginnt sozusagen die Phase Zwei in unserem Protest,“ so Linde. Dabei habe man andere Autobahn-Projekte in Deutschland ebenso auf dem Schirm wie etwa die Automesse IAA, die im kommenden Jahr erstmals in München stattfinden soll. „Auto-Deutschland hat dicke Dellen bekommen, und das hier ist erst der Anfang“, sagte die Aktivistin. Auch die Sprecherin des Bündnisses „Keine A49“, Barbara Schlemmer, zeigte sich kämpferisch: „Eine Bewegung kann man nicht räumen, und einen Wald kann man wieder aufforsten“, sagte die Grünen-Kommunalpolitikerin.