Katzen:Lebenslang ein Stubenhocker

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Amerikanische Vogelschützer fordern, Hauskatzen den Freigang zu streichen. Die Raubtiere töten jedes Jahr Hunderte Millionen Vögel und kleine Säugetiere, Amphibien und Reptilien, darunter auch bedrohte Arten.

Daniel Lingenhöhl

Vor 4000 Jahren hat der Mensch die Katze zum Haustier gemacht und ihr beigebracht, das Leben in Wohnungen und Gärten zu ertragen. Erhalten haben sich die Tiere jedoch ihr Verlangen, Vögel zu fangen. In Amerika bringt dieser Jagdeifer nun Vogelschützer gegen die Haustiere auf. "Katzen töten jedes Jahr Hunderte Millionen Vögel und kleine Säugetiere, Amphibien und Reptilien, darunter auch bedrohte Arten", sagt Mike Parr von der Schutzorganisation American Bird Conservancy (ABC).

"Katzen töten jedes Jahr Hunderte Millionen Vögel und kleine Säugetiere, Amphibien und Reptilien, darunter auch bedrohte Arten", sagt Mike Parr von der Schutzorganisation American Bird Conservancy (ABC). (Foto: ddp)

Etwa 90 Millionen Hauskatzen leben in den Vereinigten Staaten; dazu kommen noch mindestens genauso viele verwilderte Artgenossen. "Die meisten Katzen jagen, selbst wenn sie gefüttert werden. Das macht sie zu einer der größten Bedrohungen für unsere Wildvögel nach der Zerstörung der Lebensräume", sagt Parr.

Seine Organisation plädiert dafür, dass Katzen im Haus bleiben. "Die Initiative ,Cats Indoors!' soll die Besitzer ermutigen, ihre Tiere in der Wohnung zu halten", sagt ABC-Präsident George Fenswick. Nach draußen sollen die Katzen allenfalls an der Leine oder ins Freilaufgehege dürfen.

Unklar ist allerdings, wie viele Finken, Waldsänger oder Drosseln den freilaufenden Katzen tatsächlich zum Opfer fallen. Zwar haben die Raubtiere während der vergangenen Jahrhunderte mindestens 33 Vogelarten ausgerottet. Werden sie auf isolierten Inseln eingeschleppt, können Katzen in den dortigen Ökosystemen große Schäden anrichten.

Doch auf dem Festland bedrohen von jeher zahlreiche Fressfeinde wie Sperber, Fuchs oder Elstern die Vögel. "Normalerweise herrscht ein feines ökologisches Gleichgewicht zwischen Räubern und Beute", sagt der britische Biologe John Baker von der Universität Reading. "Bei den Hauskatzen ist dies jedoch außer Kraft gesetzt. Daher kommen sie oft in unnatürlich hoher Dichte vor."

Zwischen 200 und 1000 Katzen pro Quadratkilometer zählten Forscher in britischen und amerikanischen Städten - in freier Natur könnte diese Fläche allenfalls zwei Wildkatzen ernähren. Ihr Jagdinstinkt lässt auch satte Hauskatzen Vögeln oder Mäusen nachstellen.

Laut einer Studie töteten Katzen im englischen Dorf Felmersham binnen einer Saison jeden dritten Haussperling. In der Stadt Bristol erbeuteten sie sogar fast die Hälfte aller Sperlinge, Rotkehlchen und Heckenbraunellen. Zahlen, die Baker Sorgen bereiten: "Diese Verluste sind nicht zu vernachlässigen, zumal Gärten angesichts ausgeräumter Kulturlandschaften als Lebensraum für die Vögel immer wichtiger werden." Hochgerechnet auf ganz Großbritannien könnten die neun Millionen Hauskatzen bis zu 27 Millionen Vögel erbeuten. Solche Zahlen müsse man aber mit Vorsicht betrachten, schränkt Baker ein.

Wegen der unsicheren Datenbasis bleiben europäische Naturschützer gelassen. "Es gibt keine Anhaltspunkte, dass Katzen in Europa einen nennenswerten Einfluss auf die Vogelbestände haben", sagt Markus Nipkow vom Naturschutzbund Deutschland. Seine Kollegin Sarah Niemann von der britischen Royal Society for the Protection of Birds sagt hingegen: "Es stimmt, dass unsere Haussperlinge dramatische Bestandseinbußen hinnehmen mussten."

Die Art leide aber eher unter sich verschlechternden Lebensbedingungen, so Niemann. "Trotz der intensiven Nachstellungen durch Katzen vermehrten sich zum Beispiel Blaumeisen in den letzten Jahrzehnten sogar deutlich." Für Markus Nipkow ist der Fall deshalb klar: "Die Katzen schöpfen einfach den Teil der Vögel ab, der ohnehin umkommen würde.

Rund 60 Prozent aller Kleinvögel überleben nicht bis ins nächste Jahr." Dennoch rät Nipkow: "Ein Glöckchen am Halsband kann Vögel warnen. Während der kritischen Phase, wenn die Jungvögel ausfliegen, sollten die Katzen vielleicht im Haus bleiben. Sie dauerhaft einzusperren halten wir aus Tierschutzgründen aber für sehr fragwürdig."

Katrin Umlauf vom Deutschen Tierschutzbund sieht die Initiative "Cats Indoors!" ebenfalls kritisch: "Wenn die Tiere Freigang kennen, kann man sie nicht einfach ins Haus verbannen. Manche Katzen gehen dann im Wortsinn die Wände hoch. Das ist nicht tiergerecht." Halter sollten aber ihre Zöglinge zumindest sterilisieren lassen, damit sie sich nicht unkontrolliert vermehren. "Jedes Frühjahr werden unsere Tierheime von einer Katzenschwemme heimgesucht. Andere Hauskatzen verwildern und ernähren sich dann von Wildtieren."

Mike Parr von ABC versucht die Tierhalter mit dem Argument zu überzeugen, seine Initiative nütze nicht nur den Vögeln: Reine Hauskatzen werden im Durchschnitt 17 Jahre alt - draußen sterben sie oft schon nach fünf Jahren.

© SZ vom 07.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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