Astronomie:Je mehr man weiß, desto größer wird das Staunen über das Universum

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Weihnachtsstern oder TYC 3203-450-1? Auf jeden Fall ein bewegender Anblick. (Foto: ESA/Hubble & NASA)

Ein wissenschaftliches Weltbild hindert keineswegs am Staunen über das Wunder der Existenz. Der Start des James-Webb-Weltraumteleskops ist dafür ein guter Anlass.

Kommentar von Marlene Weiß

Es ist eine alte Diskussion, die nicht nur an Weihnachten so manche Familie spaltet: Braucht man Religion für Spiritualität? Viele Menschen, die an Gott oder Götter glauben und diesen Glauben als wichtigen Teil ihrer Existenz betrachten, sind überzeugt davon. In dieser Denkweise gibt es einen Gegensatz: Einerseits das schnöde irdische Dasein, in dem sich vom Strom aus der Steckdose bis zum Schnee, der vom Himmel fällt, alles halbwegs erklären lässt. Und andererseits das Mehr, das in Form des Glaubens jenseits davon besteht, die höhere Macht, die sich unserem menschlichen Einfluss oder Verständnis entzieht. In dieser Sichtweise bietet nur der Glaube das Bonusprogramm des Lebens, das einem Atheisten immer fehlen wird.

Man kann das aber auch anders sehen. Und wann wäre ein besserer Moment, darauf hinzuweisen, als an diesem Weihnachten? Wenn alles glattgeht, darf diesmal neben Christi Geburt nämlich noch etwas anderes gefeiert werden: der Start des James Webb Space Telescope (JWST) vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana, beim Entstehen dieses Textes geplant für den 25. Dezember.

Es handelt sich um das größte, teuerste und komplizierteste Weltraumteleskop, das je gebaut wurde. Ob wirklich alles klappt wie geplant, steht in den Sternen oder besser: am Lagrange-Punkt L2, den das Teleskop künftig umkreisen soll, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Erst auf dem Weg dorthin soll das Gerät nach und nach entfaltet werden. Wenn das alles so gelingt, wie es sich die Techniker vorstellen, wird das JWST in der Lage sein, tiefer ins All und damit weiter in die Vergangenheit zu sehen als je ein Teleskop zuvor.

Ein rein wissenschaftliches Weltbild hindert keineswegs an solchen Gefühlen

Wenn man so darüber nachdenkt, welche Wunder dort zu schauen sind, dann kann das bewegend und erhebend sein. Auch als jemand, der nicht glauben kann oder will, kann man sich Gedanken machen über seinen Platz in der Welt, als ein winziger Mensch auf einem erstaunlichen Planeten in einem riesigen, wenn nicht gar unendlichen Universum; ein Leben in einem kurzen Moment, der verschwindet im gewaltigen Strom der Zeit.

Ein rein wissenschaftliches Weltbild hindert keineswegs an solchen Gefühlen, im Gegenteil. Je mehr man erfährt und versteht, desto größer wird das Staunen, das geht auch vielen Forscherinnen und Forschern so. Und desto größer wird zuweilen auch die Demut. Denn darum geht es doch, sei es im Gespräch mit Gott oder in der Erforschung des Weltalls: um das Bewusstsein für etwas, das so viel größer ist als wir.

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Text: Alexander Stirn; Infografik: Sead Mujic

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