Insekten:Fliegen übertragen Krankheiten in viel größerem Ausmaß als gedacht

Lesezeit: 2 Min.

351 verschiedene Bakterienarten fanden Forscher in und auf dem Körper von Stubenfliegen. Viele der Keime sind Krankheitserreger. (Foto: Science Photo Library/imago)
  • Insekten werden als Träger von Erregern unterschätzt - das zeigt eine aktuelle Studie.
  • Stuben- wie auch Schmeißfliegen werden als Überträger vollkommen unterschätzt, schreiben die Wissenschaftler.
  • Die lästigen Insekten setzen sich gerne auf die Haut von Menschen, weil sie dort Nahrung finden, winzige Hautschuppen zum Beispiel.

Von Tina Baier

Man hat ja schon geahnt, dass Stubenfliegen mit ihren rötlichen Facettenaugen, ihrem haarigen Körper und dem Saugrüssel, der alles abtastet, nicht so harmlos sind, wie sie manchmal wirken. Doch nun ist es bewiesen. Nach einer Untersuchung in der Fachzeitschrift Scientific Reports übertragen die Insekten auch Krankheitserreger in viel größerem Ausmaß als gedacht. Stuben- wie auch Schmeißfliegen würden als Überträger vollkommen unterschätzt, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Veröffentlichung.

Die Insektenforscher fingen 116 Stuben- und Schmeißfliegen an verschiedenen Orten in den USA, Brasilien und Singapur ein. Anschließend untersuchten sie mit Erbgutanalysen das Mikrobiom der Tiere, also die Bakterien, die auf und in ihrem Körper leben. Sie fanden mehr als 600 verschiedene Keime: 351 auf den Hausfliegen und 316 auf der Schmeißfliege. Viele davon sind als Krankheitserreger bekannt und verursachen beispielsweise Magen-Darm-Erkrankungen, Blutvergiftung und Lungenentzündung.

Kot zieht die Insekten ebenso an wie eiternde Wunden

Während die von den Forschern untersuchte Schmeißfliegenart Chrysomya megacephala in Deutschland nicht vorkommt, gibt es Stubenfliegen ( Musca domestica) wie beinahe überall auf der Welt auch in Mitteleuropa. Die lästigen Insekten setzen sich gerne auf die Haut von Menschen, weil sie dort Nahrung finden, winzige Hautschuppen zum Beispiel.

Biologie
:Das Insektensterben bedroht unsere Lebensgrundlagen

Nicht nur in Deutschland sterben die Insekten. Am Ende wird das auch die Menschen massiv treffen.

Von Tina Baier

Außerdem trinken sie gerne Schweiß, der Proteine enthält. Daher locken schwitzende Menschen wie Jogger oder Urlauber am Strand besonders viele Fliegen an. Das allein wäre noch nicht so schlimm, schließlich saugen Stubenfliegen anders als beispielsweise Malariamücken kein Blut. Allerdings hegen die Tiere nicht nur eine Vorliebe für Schweiß, sondern für alle Arten menschlicher und tierischer Körperausscheidungen: Kot zieht die Insekten ebenso an wie eiternde Wunden.

Den Weg weist ihnen der Geruch von Buttersäure, eine Substanz, die bei den meisten Fäulnisprozessen entsteht und die Fliegen riechen können. Dazu kommt, dass die Weibchen ihre Eier an aus menschlicher Sicht möglichst ekelhaften Orten ablegen, Hauptsache, es handelt sich um organisches Material, das sich gerade zersetzt oder vor sich hin fault: Das können verdorbene Nahrungsmittel sein, Müll, Exkremente oder Kadaver. Die kopf- und beinlosen Fliegenlarven, die aus den Eiern schlüpfen und verschiedene Stadien durchlaufen, fressen alles. Man stellt sich also besser nicht so genau vor, was eine Fliege so hinter sich hat, die sich auf der Haut oder auf dem fürs Picknick mitgebrachten Schinken niederlässt.

Dass die Insekten Bakterien von einem Ort an den anderen transportieren können, also zum Beispiel vom Kadaver eines überfahrenen Igels, in den sie ihre Eier gelegt haben, auf den frisch gebackenen Kuchen, von dem sie Zucker schlecken, haben die Wissenschaftler mit einem einfachen Experiment nachgewiesen. Sie sperrten Fliegen in Petrischalen mit Deckel ein, in denen das Bakterium Escherichia coli auf einer Nährsubstanz wuchs. Dann ließen sie die Insekten über sterile Platten mit Nährsubstanz laufen, die sie anschließend für einige Stunden in einen Brutschrank stellten. Dort vermehrten sich die von den Fliegen übertragenen Bakterien so stark, dass die Kolonien schon nach kurzer Zeit mit bloßem Auge zu erkennen waren.

Die Escherichia-coli-Kolonien wuchsen genau dort, wo die Fliegen gelaufen waren. An einigen Stellen waren sogar einzelne Fußabdrücke zu erkennen. "Die meisten Bakterien haben wir an den Beinen und den Flügeln der Fliegen gefunden", sagt Donald Bryant von der Pennsylvania State University, einer der Autoren der Studie. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass Fliegen Bakterien auch von einem Ort an einen anderen transportieren können, indem sie die Keime verschlucken und dann entweder hochwürgen oder mit dem Kot ausscheiden.

Am meisten überrascht hat die Wissenschaftler, dass sie am Körper der untersuchten Schmeißfliegen - nicht der Stubenfliegen - Bakterien der Art Helicobacter pylori gefunden haben. Dieser Keim gilt als Verursacher verschiedener Magenkrankheiten, speziell von Geschwüren. Wie Menschen sich mit diesem Keim anstecken, ist bis heute nicht ganz klar. Die Fliegen haben sich das Bakterium wahrscheinlich eingefangen, als sie es sich in einer Latrine schmecken ließen.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Insektensterben
:Rettet die Insekten!

Drei Viertel aller Insekten sind in den vergangenen 27 Jahren aus Deutschland verschwunden, doch noch immer zögert die Politik zu handeln. Dabei verbietet es die Dramatik dieser Entwicklung, weiter zu warten.

Kommentar von Tina Baier

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: