Verhaltensbiologie:Können Hunde trauern?

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Um zu trauern, ist kein tieferes Verständnis vom Tod nötig. (Foto: Aitor Carrera via www.imago-images.de/imago images/Addictive Stock)

Nach dem Tod eines Artgenossen fressen Hunde weniger, werden ängstlich und schlafen viel. Wissenschaftler vermuten, dass ihr Gefühlsleben komplexer ist, als gedacht.

Von Tina Baier

Tiere haben Gefühle, davon sind nicht nur Besitzer von Hunden, Katzen und anderen Haustieren überzeugt. Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass zumindest die meisten Säugetiere grundlegende Emotionen empfinden: Angst, wenn sie in Not sind, und Wohlbehagen, wenn es ihnen gut geht.

Doch was ist mit komplizierteren Gefühlen, wie zum Beispiel Trauer? Dazu gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen, und die meisten beschäftigen sich mit Tieren wie Menschenaffen, Delfinen oder Elefanten, die ohnehin bekannt sind für ihre außergewöhnlichen kognitiven Fähigkeiten.

In einer Studie, die gerade im Wissenschaftsjournal Scientific Reports erschienen ist, sind Forscher jetzt der Frage nachgegangen, ob auch ganz gewöhnliche Haushunde Trauer empfinden können. Ein Team um die Tierärztin Federica Pirrone von der Universität Mailand hat dafür 426 italienische Hundebesitzer befragt, die mindestens zwei Hunde hatten, von denen einer gestorben ist.

86 Prozent der Hundebesitzer berichteten, dass sich das Verhalten ihres noch lebenden Haustiers nach dem Tod seines Artgenossen verändert habe. 67 Prozent gaben an, ihr Hund sei plötzlich anhänglicher geworden, 57 Prozent fiel auf, dass das Tier seltener spielte, und 46 Prozent sagten, es sei grundsätzlich weniger aktiv gewesen. Außerdem schliefen Hunde nach dem Tod eines Artgenossen mehr, wurden ängstlicher, fraßen weniger und bellten öfter.

Wenn sich die Tiere mochten, fielen die Reaktionen auf den Verlust besonders heftig aus

Um sicherzugehen, dass die beobachteten Änderungen im Verhalten der Tiere tatsächlich auf den Verlust ihres Artgenossen zurückzuführen sind und keine anderen Ursachen haben, bedienten sich die Wissenschaftler einiger Tricks. Spezielle Fragen etwa zu den eigenen Gefühlen der Hundebesitzer nach dem Tod ihres Haustiers bauten die Forscher ein, um zu erkennen, wenn ein Studienteilnehmer das noch lebende Tier vermenschlichte und dessen Verhalten nur deshalb als Trauer interpretierte, weil er selbst traurig war. Bei der Auswertung wurde das dann berücksichtigt.

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Auch die Möglichkeit, dass die beobachteten Verhaltensänderungen der Hunde kein Ausdruck von Trauer waren, sondern lediglich eine Reaktion auf ihren veränderten Tagesablauf nach dem Tod ihres Artgenossen, zogen die Forscher in Betracht. In diesem Fall müsste es nach Ansicht der Forscher einen Zusammenhang geben zwischen der Zeitspanne, die die beiden Tiere im selben Haushalt gelebt haben, und den Verhaltensänderungen nach dem Verlust, schreiben sie in ihrer Studie. Das sei aber nicht der Fall.

Die Auswertung des Fragebogens ergab zudem, dass die Hunde nach dem Tod ihres Artgenossen die deutlichsten Änderungen in ihrem Verhalten zeigten, wenn der Besitzer das Verhältnis zwischen den beiden Tieren als "freundschaftlich" einschätzte. Hatten sich die beiden Hunde lediglich toleriert, war die Reaktion auf den Verlust deutlich schwächer oder blieb ganz aus.

Wölfe wurden beobachtet, wie sie tote Welpen vergraben haben

Das alles spricht nach Ansicht der Studienautoren dafür, dass die beobachteten Verhaltensveränderungen von Hunden nach dem Tod eines Artgenossen tatsächlich Ausdruck von Trauer sind. Um zu trauern sei kein tieferes Verständnis vom Tod nötig, schreiben sie. Manche Hunde seien in vielen Bereichen auf dem geistigen Entwicklungsstand von Kindern im Alter zwischen zwei und drei Jahren. Diese hätten auch noch keine Vorstellung vom Tod, trotzdem trauern sie, wenn sie ein Familienmitglied verlieren.

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Weil auch wildlebende Verwandte von Haushunden wie Wölfe oder Dingos extrem soziale Tiere sind, die enge Beziehungen miteinander eingehen, halten es Verhaltensbiologen für wahrscheinlich, dass auch diese Tiere nach dem Tod eines Rudelmitglieds trauern. Beobachtungen, die dies stützen, gibt es allerdings nur wenige: Im Jahr 2013 beschrieben australische Forscher, wie eine Dingo-Mutter ihr drei Monate altes Junges noch zwei Tage nach seinem Tod immer wieder an einen anderen Ort trug. In einer anderen Untersuchung berichten amerikanische Forscher, dass sie beobachtet hätten, wie Wölfe tote Welpen vergraben haben.

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