Ökologischer Hausbau:Wohnen im Stroh

Eine Budda Skulptur neben neuen Strohballen Haeuser aufgenommen am Freitag 01 07 11 im Oekodorf S

Strohballen-Häuser aufgenommen im Ökodorf "Sieben Linden" bei Poppau in Sachsen-Anhalt

(Foto: imago/Eckehard Schulz)

Häuser mit Strohwänden sind besser gedämmt als jedes Niedrigenergiehaus. Als Material eignet es sich insbesondere für Bauherren, die selbst Hand ­anlegen wollen.

Von Hartmut Netz

Dass hier ein Leuchtturmprojekt des ökologischen Bauens verwirklicht wurde, merkt man dem fünfstöckigen Neubau in Verden, einer 27 000-Einwohner-Stadt in Niedersachsen, nicht an. Nur die abgerundeten Ecken und das vorstehende Flachdach fallen aus dem Rahmen des Gewohnten. Ansonsten: gedeckte Farben, Fenster bis zum Boden, eine klar gegliederte, schnörkellose Fassade - auf den ersten Blick ein Bürogebäude, wie es viele hierzulande gibt. Doch das unscheinbare Äußere täuscht. Denn der fünfstöckige Bau ­wurde fast zur Gänze aus Holz, Stroh und Lehm erbaut.

Strohballenbau nennt sich diese für Deutschland noch neuartige Technik. Zwar ist der Keller konventionell mit Ziegeln gemauert und schließt mit einer Betondecke ab. Doch darüber ist alles anders. Das tragende Gerüst des 17 Meter hohen Bürohauses mit 1800 Quadratmetern Nutzfläche bildet - ähnlich wie bei traditionellen Fachwerkhäusern - eine Holzkonstruktion aus mächtigen Ständern und Riegeln. Aus Holz bestehen auch die Decken zwischen den Geschossen, das Treppenhaus und der Fahrstuhlschacht. Die Innenwände wurden aus Holzständern konstruiert, verkleidet und mit Lehm verputzt. Die nichttragenden Teile der Außenwände dagegen bestehen aus gepresstem Stroh.

Ein Strohwandhaus ist ähnlich feuerfest wie eins aus Beton.

Fünf Geschosse aus Holz, Stroh und Lehm - bis zu diesem Zeitpunkt hatte das noch niemand gewagt. Entsprechend aufwendig sei die Baugenehmigung gewesen, erinnert sich der Lüneburger Architekt Dirk Scharmer, der das 2015 fertiggestellte Strohhaus entworfen hat. Insbesondere in Sachen Brandschutz ­habe man hohe Auflagen erfüllen müssen. Loses Stroh ist leicht entflammbar. Doch presst man es zu Ballen, wird den Halmen durch den Druck die Sauerstoffzufuhr abgeschnitten. Als Baustoff zugelassene Strohballen gelten deshalb als normalentflammbar.

Aus natur 2/2019

mehr auf natur.de ... | Ausgabe bestellen ...

  • natur 02/2019

    Der Text stammt aus der Februar-Ausgabe von natur, dem Magazin für Natur, Umwelt und nachhaltiges Leben. Er erscheint hier in einer Kooperation. Mehr aktuelle Themen aus dem Heft 02/2019 auf natur.de...

Verkleide man Baustroh jedoch zusätzlich mit Kalk- oder Lehmputz, entspreche es, je nach Stärke der Putzschichten, der Feuerwiderstandsklasse F30 oder F90, erläutert Scharmer. Das bedeutet, dass ein aus strohgefüllten Holzständerwänden erbautes Gebäude einem Feuer mindestens 30 beziehungsweise 90 Minuten standhält ohne zusammenzubrechen - das ist genauso lange wie bei einem konventionellen Betonbau.

Auf dem Gebiet des Strohballenbaus ist der Architekt ein alter Hase. Erste Erfahrungen mit dem Baustoff vom Getreidefeld sammelte er im Ökodorf Sieben Linden in der altmärkischen Gemeinde Beetzendorf in Sachsen-Anhalt. Die aktuell rund 150 Menschen umfassende Dorfgemeinschaft hat sich einem nachhaltigen Landleben verschrieben: Sie baut die meisten Lebensmittel selbst an, nutzt lokale, möglichst kompostierbare Rohstoffe und legt großen Wert auf Handarbeit.

Prinzipien, die auch für den Hausbau gelten. 2004 errichtete die Dorfgemeinschaft in reiner Handarbeit und unter ausschließlicher Verwendung regional verfügbarer Baustoffe wie Holz, Lehm und Stroh sowie anderer ökologischer Materialien die Villa Strohbunt, ein zweigeschossiges Wohnhaus in Strohballenbauweise. Den technischen Ausbau, soweit nicht in ­Eigenarbeit machbar, übernahmen Handwerker aus der Umgebung.

Bereits ein Jahr später wurde Strohpolis, ein von Dirk Scharmer geplantes, dreistöckiges Wohnhaus in verputzter Strohballenständerbauweise, fertiggestellt. Das damals größte Strohhaus Europas bietet auf 530 Quadratmetern Platz für rund 20 Bewohner. Von den heute 15 Gebäuden in Sieben Linden sind 13 mit Stroh gebaut - damit verfügt das Ökodorf über die weltweit höchste Dichte dieses Haustyps.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: