Astrophysik:Erstmals Gravitationswellen mit Pulsaren gemessen

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Die nun mithilfe von Pulsaren detektierten Gravitationswellen wurden vermutlich bei der Kollision von Galaxien ausgelöst. Im Bild die Verschmelzung der Antennen-Galaxien. (Foto: ESA/Hubble/Nasa)

Mehrere internationale Teams haben aus der Strahlung von rotierenden Neutronensternen auf Stauchungen der Raumzeit geschlossen. Die Messung gilt als Meilenstein.

Von Helmut Hornung

Als im September 2015 die riesigen Ligo-Laserinterferometer an zwei Standorten in den USA erstmals Gravitationswellen aus dem All auffingen, ging die Nachricht um die Welt. Die neue Messmethode hat Astronomen ein weiteres Fenster geöffnet, durch das diese seither intensiv ins Universum schauen. Nun hat ein internationales Team zum ersten Mal Gravitationswellen ohne solche Detektoren beobachtet - mithilfe von Pulsaren, Überbleibseln schwerer Sterne.

Gravitationswellenmessungen mit den herkömmlichen Detektoren sind inzwischen Routine, aber die nun aufgefangenen Wellen wären mit diesen nicht beobachtbar gewesen. Denn das auslösende Ereignis ist ein anderes: Mutmaßlich entstanden sie in Galaxienkollisionen und stammen von schwarzen Löchern, die einander umkreisen, und nicht von deren Verschmelzung.

Galaxien wie die Milchstraße mit ihren Milliarden von Sternen sind die größten Objekte im Universum. Wann und wie sie entstanden, gibt immer noch Rätsel auf. Einig sind sich die Forschenden hingegen, dass jede Galaxie ihre eigene Entwicklungsgeschichte hat, in der kosmische Zusammenstöße eine wichtige Rolle spielen. Denn obwohl das Weltall weitgehend aus leerem Raum besteht, muss es vor allem in der turbulenten Jugendzeit des Kosmos häufig zu Zusammenstößen zwischen Galaxien gekommen sein. Aber noch heute und in Zukunft ereignen sich Unfälle zwischen ihnen. So etwa werden unsere Milchstraße und ihr Nachbar, der Andromedanebel, in ein paar Milliarden Jahren zu einer riesigen Galaxie verschmelzen, die Astronomen "Milkomeda" nennen.

Die Welteninseln umtanzen sich - und mit ihnen die schwarzen Löcher in ihren Zentren

Theoretische Modelle und praktische Beobachtungen zeigen, dass ein solcher Crash allerdings nicht frontal erfolgt. Vielmehr umtanzen sich die Welteninseln vor der Vereinigung - und mit ihnen die schwarzen Löcher, die in ihren Zentren stecken. Der wilde Reigen dieser Massemonster spült nicht nur große Mengen Gas ins Herz der neu entstehenden Galaxie, sondern er lässt auch die Raumzeit erzittern. Als Folge davon rasen Gravitationswellen mit Lichtgeschwindigkeit durchs All.

"Diese Evolution der Milchstraßensysteme, bei der aus kleineren größere werden, läuft jederzeit und überall im Universum ab", sagt Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. "Wir nehmen daher an, dass sich die Gravitationswellen aus Galaxienkollisionen zu einer Art Hintergrundrauschen summieren." Und genau dieses Rauschen in der Raumzeit haben Kramer und seine Kollegen in mehreren Ländern jetzt beobachtet, wie sie im Fachblatt Astronomy and Astrophysics berichten. Dabei nutzten die Forschergruppen jedoch nicht die üblichen Laserinterferometer, sondern natürliche Detektoren im Weltall: Pulsare, die Leichen schwerer Sterne.

Wenn eine massereiche Sonne an ihrem Lebensende in die Energiekrise taumelt, werden in ihrem Kern in schneller Folge immer schwerere Elemente bis hin zu Eisen produziert. Danach ist Schluss, der sterbende Stern gerät aus dem Gleichgewicht und bricht unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Die dabei frei werdende Energie sprengt die äußeren Hüllen ab, und eine Supernova leuchtet auf. Als Relikt des furiosen Finales bleibt eine nur etwa 25 Kilometer große Kugel übrig. In ihr ist die Materie so dicht gepackt, dass ein Fingerhut voll eine Masse von einer Milliarde Tonnen enthält.

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Ein solcher Neutronenstern rotiert schnell um seine Achse. Dabei sendet der stark magnetisierte Stern elektromagnetische Strahlung in zwei gebündelten Kegeln entlang der Magnetfeldrichtung aus. Weil diese einen Winkel zur Drehachse bildet, rotieren die Kegel mit dem Stern. Überstreichen sie die Erde, blinkt der Neutronenstern im Rhythmus seiner Rotation wie ein ferner Leuchtturm und zeigt sich am irdischen Himmel als Pulsar.

"Dieser Effekt dient als Grundlage unserer Messungen, weil Pulsare zu den genauesten Uhren gehören, die man sich vorstellen kann", sagt Kramer. Ihre Radiosignale laufen über viele Lichtjahre durch den Raum, bevor sie auf irdische Teleskope treffen und dort gemessen werden können. "Eigentlich sollten die Pulsare extrem regelmäßig ticken. Nur, sie tun es nicht", sagt der Bonner Astronom. Und das liegt eben daran, dass der Weltraum nicht störungsfrei ist. So schwappen jede Menge Lichtjahre lange Gravitationswellen durch den Kosmos, die von verschmelzenden Galaxien stammen. Sie stauchen und dehnen das Raumzeitgefüge, ändern also die Streckenlänge und damit die Ankunftszeit der Pulse. Diese kommen entweder zu spät oder zu früh auf der Erde an.

Der Effekt ist verschwindend gering, die durch Gravitationswellen verursachte Gang-Ungenauigkeit der Pulsar-Uhren beträgt ungefähr 30 Milliardstelsekunden. "Das entspricht einer winzigen Änderung der Signallaufstrecke", sagt Kramer. Die Entfernung zum nächsten Fixstern von rund 40 Billionen Kilometer würde etwa um 120 Meter variieren.

Kramer ist an den Messungen der europäischen Gruppe beteiligt. Dieser European Pulsar Timing Array arbeitet mit 25 in der Milchstraße verteilten Pulsaren, die mit fünf Radioteleskopen - darunter die 100-Meter-Antenne in Effelsberg bei Bonn - über Jahrzehnte hinweg vermessen wurden und gleichsam einen Detektor von der Größe der Galaxie aufspannen. Nach demselben Prinzip haben auch nordamerikanische, australische, indische, japanische und chinesische Teams Pulsare beobachtet, die ihre Arbeiten jetzt ebenfalls veröffentlichen. Alle kommen sie zu demselben Ergebnis: Der plausibelste Ursprung des beobachteten Hintergrundrauschens aus Gravitationswellen sind Doppelsysteme schwarzer Löcher mit der millionen- bis milliardenfachen Masse der Sonne, die bei der Verschmelzung von Galaxien entstehen. Herkömmliche Laserinterferometer wie Ligo sind für die dabei ausgesandten Gravitationswellen blind, denn deren Frequenzen sind zu niedrig.

Umgekehrt reicht die Empfindlichkeit eines Pulsar Timing Arrays derzeit nicht aus, um das Hintergrundrauschen in einzelne Quellen aufzulösen, wie das konventionellen Detektoren gelingt. "Das ist so, als wenn Sie durch eine geschlossene Tür das Stimmengewirr eines Cocktailempfangs hören", sagt Michael Kramer. "Unser Ziel ist es, eines Tages auch einzelne Gesprächsfetzen zu verstehen." Dann ließe sich die Botschaft der Gravitationswellen von der galaktischen Evolution noch genauer belauschen.

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