Der deutsche Chemie-Nobelpreisträger Manfred Eigen ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 91 Jahren, wie das Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie am Donnerstag mitteilte. Den Nobelpreis hatte Eigen 1967 für seine Arbeiten zu ultraschnellen chemischen Reaktionen erhalten - im Alter von nur 40 Jahren. Als erster Wissenschaftler hatte er die winzigen Zeiträume solcher Prozesse gemessen, die mitunter weniger als eine Millionstelsekunde dauern. Neben dem Nobelpreis erhielt er eine große Anzahl weiterer renommierter Preise.
Ursprünglich wollte Manfred Eigen Pianist werden. Er wurde 1927 in Bochum als Sohn einer Musikerfamilie geboren und gab als Jugendlicher bereits Konzerte. Doch es kam anders: Aus der französischen Kriegsgefangenschaft lief der damals 18-Jährige von Straßburg aus zu Fuß nach Göttingen, wo er 1945 mit dem Studium der Physik und der Chemie begann. Es sollte der Beginn einer Laufbahn werden, die ihn zu einem der vielseitigsten und wichtigsten deutschen Naturwissenschaftlern machte.
Nach seiner Habilitation 1971 in Göttingen entwickelte der Forscher ein viel beachtetes physikalisch-chemisches Modell zur Entstehung des Lebens: Danach bestanden die ersten Lebewesen aus wenigen organischen Bausteinen. Eigen untermauerte seine Theorie mit der These der Selbstorganisation der Materie und der Evolution biologischer Makromoleküle.
Er gilt zudem als Mitbegründer der sogenannten evolutiven Biotechnologie. Als einer der ersten wandte er Darwins Evolutionstheorie auf molekulare Systeme an. Mit seinem Team entwickelte er Maschinen, um grundlegende Mechanismen der Evolution im Zeitraffer im Labor zu untersuchen, beispielsweise die Tricks, mit denen das Aids-Virus und andere Krankheitserreger das Immunsystem überlisten. Mithilfe dieser Evolutionsmaschinen können Chemiker aber auch neue Wirkstoffe identifizieren, die sich vielleicht einmal zu Medikamenten weiterentwickeln lassen. Um diese Ideen weiter zu verfolgen, gründete Eigen zudem zwei Biotech-Unternehmen.
"Eigens Ansatz war es stets, für Probleme die eleganteste und für alle am besten tragbare Lösung zu finden", sagt Stefan Hell, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, der 2014 ebenfalls den Nobelpreis für Chemie erhalten hat. Eigens Persönlichkeit, seine Werte und sein respektvoller Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern hätten das Göttinger Institut maßgeblich geprägt, sagt Hell. "Mit dem Tod von Manfred Eigen verlieren wir einen herausragenden Denker und genialen Forscher, der das Leben von Mitarbeitern und Wissenschaftlern auf der ganzen Welt maßgeblich geprägt hat", erklärte der ebenfalls mit dem Nobelpreis geehrte Erwin Neher. Eigen blieb bis ins hohe Alter wissenschaftlich tätig.