Gene Editing:Ist das schon Gentechnik?

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Pflanzen, die mit neuen Methoden wie dem Gene Editing gezüchtet werden, stellen Fachleute vor ein Problem: Fallen sie unter die herkömmliche Definition von "gentechnisch verändert"?

Von Kathrin Zinkant

Als im Parlament jüngst über die "Herausforderungen der neuen Gentechnologien" diskutiert werden sollte, verwies der Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung vor Beginn erst einmal auf ein grundlegendes Problem. Sein Büro wolle und solle "neutrale Analysen" anfertigen, sagte Arnold Sauter. Das aber sei im Fall der Gentechnik schon immer eine "echte Herausforderung" gewesen. Denn letztlich läuft es auf eine Bekenntnisfrage hinaus: dafür oder dagegen?

Auch die EU steht seit mehr als einem Jahr vor so einer Frage, und womöglich ist es französischen Bauern- und Umweltverbänden in der vergangenen Woche gelungen die EU-Kommission in Brüssel an einem baldigen Bekenntnis für oder gegen neue Methoden in der Pflanzenzüchtung zu hindern. Es geht um neue Verfahren, die als New Plant Breeding Techniques (NPBT) zusammengefasst werden. Unter den Begriff fällt sowohl das Gene Editing von Pflanzen, das wegen seiner Präzision oft als Genchirurgie bezeichnet wird, als auch einige andere Methoden des genetischen Eingriffs ins Erbgut, die eine völlig neue Art der Pflanzenzucht ermöglichen. Zugleich erzeugen die neuen Techniken aber auch viel Unsicherheit und Abwehr.

Noch in diesem Jahr sollte die Entscheidung fallen. Jetzt könnte es bis 2018 dauern

Angeführt von der Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne haben sich deshalb neun Verbände mit Fragen an das oberste Verwaltungsgericht in Paris, den Conseil d'État gewendet. Es geht darum, ob die per NPBT geschaffenen Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen und Sorten gelten, ob diese der Freisetzungsrichtlinie unterliegen - und welche Risiken mit einem Anbau verbunden wären. Der Conseil legt die Fragen nun dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vor.

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Es sind Fragen, die mehr mit den Methoden der alten grünen Gentechnik zu tun haben als mit den neuen Verfahren. Rein formal handelt es sich zwar bei allen Prozessen um Gentechnik. Im Unterschied zu den Methoden, die einst insektenfesten Mais und Glyphosat-resistenten Soja hervorbrachten, werden mithilfe der NPBT aber nicht zwangsläufig fremde Gene in das Erbgut der Pflanzen eingeschleust. In den meisten Fällen sollen die neuen Methoden nur kleine Veränderungen im Genom erzeugen. Mutationen, wie sie auch tausendfach auf natürlichem Wege in einer Pflanze entstehen. Erzwingt man sie künstlich, nennt man den Vorgang Mutagenese.

Die jüngsten Verfahren, mit denen eine gezielte Mutagenese bewerkstelligt wird, gelten nach EU-Gesetz derzeit nicht explizit als Gentechnik - und die Pflanzen nicht als gentechnisch veränderte Organismen, kurz GVO. Wie das in Zukunft gehandhabt werden soll, darüber herrscht zumindest in Europa noch Unklarheit - und heftiger Streit, den erst eine klare gesetzliche Regelung beenden wird.

Die Europäische Kommission jedoch tut sich schwer mit einer Entscheidung und hat sie seit 2015 mehrmals vertagt. Zuletzt hieß es aus Brüssel, man werde Ende 2016 entscheiden, ob angesichts der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der neuen Methoden künftig nicht mehr das Zuchtverfahren, sondern stattdessen das Produkt betrachtet werden sollte und nur noch Pflanzen mit fremden Genen als GVO gelten. Die neuen Verfahren könnten dann frei zum Einsatz kommen und eine Vielzahl von neuen Sorten hervorbringen.

In Deutschland wird diese produktorientierte Lösung sowohl von der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit befürwortet als auch von einer großen Mehrheit der Pflanzenzuchtforscher. Jens Boch vom Institut für Pflanzengenetik an der Leibniz-Universität Hannover sieht den Vorstoß der französischen Bauern- und Umweltverbände sogar positiv: "Es ist doch eigentlich ganz sinnvoll, auf eine Klärung dieser Fragen zu drängen." Das zögerliche Verhalten der EU-Kommission hält der Pflanzenforscher schon lange für kritikwürdig, zumal jenseits der EU bereits Entscheidungen zugunsten der neuen Methoden gefallen seien. "Wir geraten in Europa ins Hintertreffen", sagt Boch. Es lohne sich für die Forschung in Europa im Moment nicht, mithilfe der modernen Verfahren robuste neue Sorten zu entwickeln, solange unklar sei, ob man sie auch anpflanzen dürfe. Und das sei nicht zuerst für die großen Saatgutkonzerne ein Verlust. "Diese neuen Verfahren sind technisch viel weniger aufwendig als transgene Techniken und eröffnen auch kleineren Betrieben die Möglichkeit, so neue Sorten zu entwickeln." Auf diese Weise könnten auch mehr neue Sorten entstehen, die gezielt an lokale Gegebenheiten angepasst wurden.

Ob Bochs Hoffnung, der Vorstoß der französischen Verbände werde die EU-Entscheidung beschleunigen, eintritt, ist allerdings fraglich. Die Confédération Paysanne gilt als unzweifelhaft gentechnikfeindlich. Und wenn die Richter in Luxemburg ihre Fristen ausschöpfen, werden europäische Pflanzenzüchter und -forscher aus Brüssel in diesem Jahr nichts mehr vernehmen und wohl bis Mitte 2018 ausharren müssen, um zu wissen, woran sie sind. Erst nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs kann die Kommission ihren Bekenntnisprozess fortsetzen und eine Entscheidung treffen.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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