Evolution:Darum hat der Mensch keinen Knochen im Penis

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Penisknochen verschiedener Vertreter der Tierwelt liegen anschaulich in einer Kiste (Foto: imago/ZUMA Press)

Das Baculum ist im Tierreich verbreitet, der Mensch aber verlässt sich bei der Erektion auf das nicht immer zuverlässige System der Schwellkörper. Eine Studie zeigt: Es liegt an der Monogamie.

Von Felix Hütten

Die Evolution, so lernt man das, treibt die Innovation in der Natur voran. Manchmal entstehen dabei jedoch Dinge, deren Sinn unerklärlich bleibt. Der Penisknochen, in der Fachsprache Os penis oder Baculum genannt, ist so ein bislang ungelöstes Rätsel der Evolution. Manche Spezies pflanzen sich bis heute mit dessen Hilfe fort. Anderen, so auch dem Menschen, ist er im Laufe der Evolution abhandengekommen.

Die Anthropologen Matilda Brindle und Christopher Opie vom University College London haben in einer Studie, erschienen im Journal Proceedings B der britischen Royal Society, untersucht, wie sich das besagte Körperteil im Laufe der Entstehung der Arten entwickelt hat. Ihre Antwort: Monogame Lebewesen brauchen ihn nicht.

"Hoher postkopulatorischer Wettbewerb"

Der Penisknochen hilft Tieren, beispielsweise Fledermaus-Männchen, Bonobos und Schimpansen, bei der Versteifung des Glieds. Das Baculum ist so etwas wie ein verknöcherter Schwellkörper, der die Erektion des Penis schnell und anhaltend ermöglicht. Zudem hilft er dem Männchen, sein Sperma möglichst nahe an die Gebärmutter des Weibchens zu bringen und eine Befruchtung wahrscheinlicher zu machen.

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In ihrer Untersuchung zeigen die Wissenschaftler anhand komplexer Korrelationsrechnungen, dass sich der Knochen unter Säugetieren vor etwa 145 bis 95 Millionen Jahren ausgebildet haben muss, um im weiteren Verlauf teilweise wieder zu verschwinden. Warum das Baculum des Menschen überflüssig wurde, erklären sich die Autoren mit der Dauer des Geschlechtsverkehrs und der Zahl der Sexualpartner.

"Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass der Knochen die männliche Reproduktionsstrategie unterstützt, und zwar unter jenen Arten, in denen das Männchen einem hohen postkopulatorischen Wettbewerb ausgesetzt ist", sagt Autorin Matilda Brindle. Einfacher formuliert: Ein länger anhaltender Geschlechtsakt (mehr als drei Minuten) verringert die Chancen der Mitbewerber. Es geht also um die Frage, wessen Genmaterial am Ende zu Nachwuchs führt und somit überlebt.

Wackliges System der Erektion durch Schwellkörper

Polygamie, in diesem Fall Sex mit vielen verschiedenen Partnern, ist unter Menschen heute weniger häufig als im Tierreich. Diese kulturellen Änderungen im Fortpflanzungsverhalten könnten, so vermuten Brindle und Opie, einst das Aus für den menschlichen Penisknochen bedeutet haben. Als sich die menschliche Spezies von ihren Vorfahren absetzte und das Paarungsverhalten vor geschätzten zwei Millionen Jahren in Richtung Monogamie schwenkte, fehlte wahrscheinlich der evolutionäre Druck, den Penisknochen aufrechtzuerhalten, sagt Christopher Opie.

Wie die Forscher in ihrer Studie schreiben, konnten sie einen positiven Zusammenhang zwischen der Länge des Baculums und der Dauer des Geschlechtsaktes feststellen. Schimpansen und Bonobos, die mit dem Menschen eng verwandt sind, haben eine Paarungszeit von etwa sieben bis 15 Sekunden - im Vergleich zu anderen Tieren eher kurz. Im Verhältnis zur Körpergröße ist ihr Penisknochen winzig, und mit sechs bis acht Millimetern nicht länger als ein Fingernagel. Im Unterschied zum Menschen aber leben sie polygam, was ihnen womöglich diesen Überrest eines Penisknochens beschert.

Den Menschen betreffend wird übrigens eine weitere Theorie diskutiert. Aus Sicht der Fortpflanzung und der Evolution erscheint es schließlich auf den ersten Blick unlogisch, sich auf das wacklige System der Erektion durch Schwellkörper zu verlassen und die knöcherne Hilfe aufzugeben. Allerdings könnte die (knochenfreie) Erektion des Mannes für die Partnerin ein Signal der Gesundheit sein - was die Partnerwahl vereinfacht.

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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