Energiewende:Und wie heizt du so?

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Filmszene aus den dreißiger Jahren, in der ein Mädchen Kohle zum Heizen aus dem Keller holt. (Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo)

Warum man es für die Energiewende auch positiv sehen kann, dass sich die Menschen wieder mit dem Thema Heizen beschäftigen müssen.

Kommentar von Vera Schroeder

Es ist noch gar nicht besonders lange her, da war das Thema Heizen auch in Deutschland ähnlich im Alltagsbewusstsein verankert wie etwa das Thema Ernährung. Jeder kennt die Geschichten von den Groß- oder Urgroßeltern, die noch nachts aufstanden, um Kachelöfen anzufeuern, oder ihre Kohlen (und vielleicht auch die der gebrechlichen Nachbarin) von großen, auf die Straße gekippten Haufen in den Keller runter und dann wieder in die Wohnung in den dritten Stock hochschleppen mussten. Zeit, sich ums Heizen zu kümmern oder zu lernen, wie ein Ofen funktioniert oder welche Tragehaltungen am rückenschonendsten sind, gehörte schlicht zum Leben mit dazu.

Durch automatisierte Zentralheizungen und geringe Energiepreise verschwand das Thema weitgehend aus den Köpfen. Heizen machte man halt, fast unbewusst zwischendurch, Knopf drehen, Schalter an, fertig. In Großstädten hätten junge Mieter vor ein paar Jahren wohl gar nicht selten überhaupt nicht mehr sagen können, womit ihre WG eigentlich geheizt wird. Heizkosten: kein großes Ding, zumindest für die Menschen, die nicht in Armut lebten.

Das Gefühl, selbst mitgestalten zu können, schafft Akzeptanz für den Wandel

Jetzt kommt der Kältewinter, vor allem aber steht die Energiewende an. Wärmebeschaffung und Energieverbrauch als zentrale Elemente des Umbaus in eine neue, hoffentlich sauberere Zukunft kehren als Themen zurück, nicht nur auf dem Schreibtisch von Robert Habeck, sondern auch in die Familien, WGs, Einfamilienhäuser oder Sozialbauwohnungen. Kurzfristig als Thema, das Angst macht und mit der Frage verbunden ist, wie und wo sich im Alltag am besten einsparen lässt und wie denen zu helfen ist, für die die Situation akut eine existentielle Bedrohung bedeutet. Mittelfristig mit der Suche nach der jeweils besten Heiztechnik im Zeitalter der Erneuerbaren. Was da zum Beispiel auch auf uns zukommen wird: Dass jeder weiß, zu welchen Uhrzeiten viel Strom da ist - und wann man deshalb am günstigsten warm duscht. Wärmehaushalten als Alltagsthema kommt zurück, nicht nur kurzfristig, sondern grundsätzlich.

Ist das schlimm? Im Gegenteil. Wenn die Politik die Energiewende richtig aufgleist, könnten sich an zahlreichen Stellen, von lokalen Erzeugungsgenossenschaften bis hin zum Sparplan in der Familie, neue Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger ergeben. Das Gefühl, an einem gesellschaftlichen Umbau selbstwirksam mitgestalten zu dürfen, wird von Expertinnen und Experten immer wieder als zentraler Punkt für die Akzeptanz von Wandel genannt. Sich dem Heizen als Aufgabe persönlich anzunehmen ist deshalb weder nostalgischer Kitsch noch allein notwendiges Übel, man könnte es auch als Weg in die Zukunft sehen.

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