Diätverordnung für Diabetiker:Mogelpackung

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Viele Nahrungsmittel tragen Hinweise wie: "Für Diabetiker geeignet". Alles Unsinn, sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Diabetiker-Produkte sollen deshalb abgeschafft werden.

Daniela Kuhr

Die Aufdrucke stehen auf Schokoladentafeln, auf Brotaufstrichen oder auf Säften. Mal klingen sie ganz wissenschaftlich, wie zum Beispiel die Kennzeichnung "Zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus geeignet", mal heißt es auch einfach nur knapp "Für Diabetiker geeignet". Alles Unsinn, hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) festgestellt. Die Hinweise seien wissenschaftlich nicht haltbar. Und deshalb soll damit nun Schluss sein.

Die Diätverordnung für Diabetiker-Lebensmittel enthält strenge Vorgaben. Doch die meisten der bis zu acht Millionen Diabetiker in Deutschland wissen schon lange, dass diese nicht sinnvoll sind. (Foto: AP)

Das Bundesverbraucherschutzministerium will die Diätverordnung ändern. An diesem Mittwoch wird sich der Gesundheitsausschuss des Bundesrats mit dem Gesetzentwurf befassen. Am Montag hatte bereits der Verbraucherausschuss die Neuregelung gebilligt. Wenn der Bundesrat in seiner Sitzung am 24.September ebenfalls zustimmt, kann das Ministerium die neuen Vorschriften umgehend in Kraft setzen.

Bislang enthält die Diätverordnung für Diabetiker-Lebensmittel strenge Vorgaben. Beispielsweise regelt sie die Verwendung bestimmter Zuckeraustauschstoffe und Süßungsmittel, den Kohlehydratanteil von speziellem Diabetiker-Bier und schreibt vor, dass Diabetiker-Brot nur einen Brennwert von höchstens 840 Kilojoule pro 100 Gramm haben darf. Doch wohl die meisten der bis zu acht Millionen Diabetiker in Deutschland wissen schon lange, dass die Vorgaben alles andere als sinnvoll sind.

Offene Ohren im Verbraucherschutzministerium

Die Experten des BfR haben die Vorschriften in der Diätverordnung bereits vor zwei Jahren scharf kritisiert. Für Diabetiker habe lange das Prinzip gegolten, Zucker in der Ernährung streng zu kontrollieren, schrieben sie. Heute wisse man, dass Diabetes mellitus nicht nur eine Zuckerkrankheit sei, sondern dass sie auch mit Störungen des Protein- und des Fettstoffwechsels einhergehe."Eine Therapie, die nur den Zuckerhaushalt reguliert, reicht deshalb nicht aus."

Damit stieß das BfR auf offene Ohren im Verbraucherschutzministerium. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es: "Nach wissenschaftlichem Kenntnisstand benötigen Personen mit Diabetes mellitus keine speziellen diätetischen Lebensmittel mehr, da für sie inzwischen die gleichen Empfehlungen für eine gesunde Ernährung gelten wie für die Allgemeinbevölkerung." Eine diabetesgerechte Ernährung entspreche "in den Grundzügen einer ausgewogenen vollwertigen Mischkost", wie sie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung generell für gesunde Erwachsene empfehle.

Professor Thomas Danne, Präsident der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, ist erleichtert über den Gesetzesvorstoß. "Die Diabetiker-Produkte waren nichts als eine Mogelpackung. Sie suggerierten, dass man sich besonders gut ernährt, was aber überhaupt nicht stimmte." Deutlich weniger angetan ist die Ernährungsindustrie. Sie macht 140 Millionen Euro Umsatz pro Jahr mit Diabetiker-Produkten.

In Zukunft werden die Unternehmen sie nicht mehr als solche kennzeichnen dürfen. Auch die Rezepturen einiger Produkte müssen geändert werden. "So war beispielsweise bei Diabetiker-Schokolade eine Kombination von Zuckeraustauschstoffen und Süßstoffen erlaubt", sagt der Geschäftsführer des Diätverbands, Norbert Pahne, "bei normaler Schokolade ist das nicht erlaubt."

Um den Unternehmen die Umstellung zu erleichtern, erhalten sie eine Übergangszeit von zwei Jahren, in denen sie ihre Produkte weiterhin produzieren dürfen. Danach darf der Handel nur Altbestände verkaufen, die dann noch in den Lagern liegen.

© SZ vom 08.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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